piwik no script img

Umzug ohne die Belegschaft

Modefilialist New Yorker verlegt Geschäft von Kiel nach Braunschweig, ohne Betriebsrat zu infomieren. Als das Amtsgericht ihn stoppen will, lässt er Kieler Lager räumen

HAMBURG taz ■ Beim Modefilialisten New Yorker herrscht zurzeit Wildwest: Trotz einer einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgelds von 250.000 Euro gegen Vollziehung von betriebsbedingten Maßnahmen setzt die Geschäftsführung des Textilkette auf Fakten, um ihre Belegschaft in Kiel loszuwerden.

Lastwagen fuhren am späten Donnerstagabend vor dem Betrieb auf, um die dort gelagerten Klamotten abzutransporieren und in die Depandance des Unternehmens in Braunschweig zu schaffen. 150 MitarbeiterInnen protestierten spontan vor dem Werkstor, die Polizei stoppte zunächst die Lkws, musste sich dann aber aus zivilrechtlichen Gründen zurückziehen.

230 Leute arbeiten bei der Textilfirma in Kiel. Europaweit beschäftigt der Konzern in seinen Läden, in denen preiswert Pullover, Jeans und Jacken verkauft werden, rund 5.000 Leute. New Yorker schreibt laut Betriebsrat Eckert Jürgens seit der Gründung – was in der Textilbranche außergewöhnlich ist – schwarze Zahlen. Der Kieler Standort war bislang „Kopf“ des Konzerns und für die gesamte Logistik im Import und bei der Belieferung der Filialen in Deutschland und Europa zuständig.

Der Konflikt entbrannte im Sommer dieses Jahres, nachdem der Brauschweiger Anteilseigener Friedrich Knapp im vorigen Jahr die Anteile des Kieler Mitgesellschafters Tilmar Hansen übernommen hatte. Ohne den Betriebsrat zu informieren, kündigte Knapp der Belegschaft wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage im Textilhandel Massenentlassungen an. „Er legte uns drei Skizzen vor und einige Zeitungsschnipsel, die mit New Yorker überhaupt nichts zu tun hatten“, sagt Jürgens. Die Geschäftsführung des New Yorker wollte sich dazu gestern nur schriftlich äußern. „Es habe wegen der Umstrukturierungsmaßnahmen dringender Handlungsbedarf bestanden“, heißt es in einer E-Mail an die taz.

Über das Arbeitsgericht erwirkte der Betriebsrat daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen das Unternehmen, der Informationspflicht nachzukommen, um über einen Interessenausgleich für die mittlerweile vierzig vorgelegten Kündigungsbegehren verhandeln zu können. Dem ist das Unternehmen bislang nicht nachgekommen.

Obwohl es sich eigentlich um eine unternehmerischen Entscheidung handelt, folgte das Kieler Arbeitsgericht dem Ansinnen der Belegschaftsvertretung: Es untersagte dem Unternehmen in einer einstweiligen Anordnung, bis zum Sonntag Kündigungen auszusprechen oder MitarbeiterInnen mit der Verladung von Paletten mit Textilartikeln auf Lkws zu beschäftigen. Kaum war die einstweilige Anordung zugestellt, fuhren die Lastwagen der Braunschweiger Dependance in Kiel auf.

KAI VON APPEN

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen