: Die neuen EUler können kommen
Agrarhaushalt bleibt konstant, die Bauern der Beitrittsländer werden ab 2013 gleich behandelt. Schröder freut sich, dass Deutschland keine wesentlich höheren EU-Beiträge zahlen muss. Umwelt und Arbeitsplätze bleiben auf der Strecke
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Agrarkommissar Franz Fischler, so hört man, ist mit dem deutsch-französischen Kompromiss im Agrarstreit zufrieden. Wie schon Ende Januar von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, sollen die Direktzahlungen für die Bauern der neuen Mitgliedsländer stufenweise steigen – von 25 Prozent des EU-Niveaus im Beitrittsjahr 2004 auf 35 Prozent im Jahr 2006. Dann endet die Finanzplanungsperiode, die in Berlin unter deutscher Präsidentschaft ausgehandelt wurde.
Für die dann folgende Planungsrunde bis 2013 sind noch härtere Verhandlungen zu erwarten – der Agrarhaushalt soll dann nämlich laut deutsch-französischer Vereinbarung nur noch um ein Prozent jährlich wachsen. Die Direktzahlungen – also nach Produktionsmenge und nicht nach Produktionsart oder Umweltverträglichkeit – an die Bauern der zehn neuen Mitgliedsländer aber steigen stufenweise weiter, bis sie 2013 EU-Niveau erreichen sollen.
Im Klartext heißt das: In zehn Jahren haben 25 Mitgliedsländer für ihre Bauern das Geld zur Verfügung, das sich bislang 15 Staaten teilen. Der Trend, dass Deutschland immer mehr in die EU-Kasse einzahlt, wird damit gestoppt. Der Kanzler kann also mit dem in Brüssel erreichten Kompromiss gut leben.
Ob das Ganze allerdings die von Franz Fischler für Mitte 2003 angepeilten Verhandlungen über eine Landwirtschaftsreform beflügelt, ist fraglich. Fischler hat immer lautstark gegen die deutsche Forderung protestiert, Erweiterung und Agrarreform miteinander zu verknüpfen. Die auf rasche Entscheidungen angewiesenen Kandidatenländer dürften nicht davon abhängig sein, dass die EU sich in dieser Frage reformfähig zeige.
Auf den ersten Blick sieht es nun so aus, als ob der deutsch-französische Deal die Reform zumindest nicht blockiert. Die Antwort der Kandidatenländer steht aber noch aus. Zwar hat der polnische Staatspräsident Aleksander Kwašniewski spontan positiv reagiert. Der ungarische Außenminister László Kovács hat aber betont, sein Land werde in den kommenden sechs Verhandlungswochen bis zum Erweiterungsgipfel von Kopenhagen mehr zu erreichen versuchen. Schon Ende 2006 sollen die Direktzahlungen für ungarische Landwirte nach seinen Vorstellungen das EU-Niveau erreichen. Dadurch müsste schneller umverteilt werden – und der Abbau von Agrarsubventionen würde insgesamt sogar beschleunigt.
Eine listige Idee, doch gegenüber den Besitzstandswahrern und Agrarlobbyisten der alten EU chancenlos. In polnischen Zirkeln wird laut über eine andere Möglichkeit nachgedacht: Warum nicht einfach Geld aus anderen EU-Töpfen in Direktzahlungen ummünzen, etwa die Gelder für ländliche Entwicklung?
Sollte der Kompromiss zwischen deutscher Sparpolitik, französischer Agrarlogik und dem Anspruch der neuen Mitglieder auf Gleichberechtigung auf dieser Linie liegen, bliebe Franz Fischlers Agrarwende zur Halbzeit der Finanzperiode ganz sicher auf der Strecke. Denn dann würde das Geld zwar umgelenkt – aber genau in die seiner Absicht entgegengesetzte Richtung. Mehr Geld flösse in die billige Massenproduktion von Lebensmitteln, weniger in die Förderung ökologischer, Arbeit schaffender Maßnahmen auf dem Lande. Als „Hohn für jegliches Bekenntnis zu ökologischer und nachhaltiger Entwicklung im ländlichen Raum“ bezeichnete den Kompromiss Tony Long, Leiter des EU-Büros des Worldwide Fund for Nature (WWF). Seine für Landwirtschaft zuständige Kollegin Elizabeth Guttenstein sagte: „Dieser Vorschlag wird die Erweiterung ermöglichen, aber einen schrecklichen Preis von den Bauern und ländlichen Räumen in Osteuropa fordern.“
Kommt das letztendlich zu unterschreibende Abkommen wirklich wie befürchtet, setzen viele ihre letzte Hoffnung ausgerechnet auf die Welthandelsorganisation. Die WTO hat die EU-Agrarpolitik in jeder neuen Verhandlungsrunde als Hindernis für gleichberechtigten Marktzugang und Chancengleichheit im Wettbewerb angeprangert. Die EU-Verhandlungsführer gelobten Besserung. Und diese „internationalen Verpflichtungen“, das hat sich Schröder in seinem Deal mit Chirac ausbedungen, haben Vorrang vor Geschenken an französische Bauern.
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