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„Alles normal – nur Mami ist noch drin“

Im Ausnahmezustand: Während Polizeipsychologen über neue Verhandlungsangebote brüten, steht der Moskauer Alltag im Bann des Geiseldramas

MOSKAU taz ■ In den Feldküchen, die um die Konzerthalle Nord-Ost in den Hinterhöfen stehen, brodelt die Kascha für die Innenministeriumstruppen, die sich auf eine lang andauernde Belagerung einrichten. Wladimir Putin gab schließlich bei der Krisenstabssitzung im Moskauer Kreml die Parole aus, das oberste Gut sei das Leben der Geiseln. Und das bedeutet: kein Sturmangriff, sondern Nervenkrieg.

Im Krisenstab brüten die besten FSB- und Polizeipsychologen neue Verhandlunsgangebote aus. Sergei Jastrschembski, PR-Manager des Kreml, lenkt die Medien. Sicherheitsdienst und Sondertrupps haben so viele Antennen aufgebaut, dass die Handys der Männer mit den wichtigen Gesichtern oft keinen freien Kanal mehr finden. Vor den Fernsehkameras drängeln sich die Duma-Abgeordneten um die besten Plätze. Sonderausgaben der Zeitungen werden herumgereicht. In der Stadt Twer werden junge Russen festgenommen, die beschlossen hatten, nach Moskau zu fahren und die Geiseln auf eigene Faust zu befreien – zum Training haben sie erst mal in Twer tschetschenische Straßenmarktstände demoliert.

Natürlich gibt es die Kopf-ab-Stimmen. Taxifahrer Wladimir in seinem scheppernden Lada hätte es sich gewünscht, wenn die Antiterroreinheiten schnellen Prozess mit den Geiselnehmern gemacht hätten. Je länger das Drama dauert, desto schlimmer, meint er. Schlimm für die Kaukasier und die Mittelasiaten – denn die werden jetzt überall für das geprügelt, was die Tschetschenen angerichtet haben. Alle Schwarzarbeiter etwa werden von den Baustellen im Moskauer Gebiet abgeschoben. Welcher Tschetschene arbeitet schon auf dem Bau, fragt Wladimir und tritt wütend aufs Gaspedal. Taxifahrer Sascha, der es schon geschafft hat, einen gebrauchten Passat nach Moskau zu schaffen, ist hingegen erbost: Wenn schon, dann hätten die Tschetschenen die Staatsduma als Geiseln nehmen sollen. Da hätte es die Richtigen getroffen, meint Taxifahrer Sascha.

Aus dem Autoradio kommt die Stimme der kleinen Mascha. 11 Jahre alt. Freitagmorgen freigelassen. Die Stimme flattert ein wenig. Alles normal, sagt sie tapfer. Nur Mami ist noch drin. Wenig später kommt die Meldung, dass die Tschetschenen damit drohen, von heute Morgen an Geiseln zu erschießen. Zehn pro Stunde – bis die russischen Truppen aus Tschetschenien abziehen.

In der Moskauer Moschee hat sich die islamische Gemeinde versammelt – zum Gebet für die Geiseln. KARSTEN PACKEISER

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