piwik no script img

„Ohne Black & Decker“

Fund echt oder nicht: Existenz Jesu ist schon lange bewiesen

taz: Herr Kampling, glauben Sie, der Knochenkasten ist der des Bruders von Jesus von Nazareth?

Rainer Kampling: Ich halte das für immer unwahrscheinlicher. Ich glaube, dass das eine Fälschung ist.

Warum?

Es könnte echt sein in dem Sinne, dass es aus dieser Zeit stammt – wobei zu fragen wäre, wie man auf die genau Datierung 63 n. Chr. ohne chemische Untersuchungen kommt. Die Schrift ist so gut erhalten, dass ich sie für später eingefügt halte.

Die Experten, die das Ossarium untersucht haben, betonen, sie hätten an ihm keine Spuren einer Manipulation festgestellt.

Wir haben unzählig viele solcher archäologischer Fälschungen. Wenn jemand das fälschen will, macht er es schon mit viel Aufwand. Die werden nicht mit Black & Decker rangegangen sein, sondern mit antikem Werkzeug. Die Inschrift ist einfach zu gut erhalten.

Damals gab es in Jerusalem höchstens 20 Personen, auf die die Namenskombination zutreffen würde – und wenn dann, was sehr selten ist, ein Bruder genannt wird, muss der sehr bekannt gewesen sein, also wohl Jesus von Nazareth.

Der Name Jesus könnte eher vom Stifter des Ossariums stammen. Außerdem: Woher soll das Geld kommen, wenn es die sozial schwache Familie Jesu war? Zumal: Soweit wir wissen, war die Jerusalemer Gemeinde damals in Auflösung.

Wenn er authentisch wäre: Hätte der Fund theologische Konsequenzen – etwa für das Dogma der immerwährenden Jungfräulichkeit Marias?

Ich kann diese Frage noch nicht mal denken. Die Qualifizierung der Jungfrau ist keine Frage der Biologie oder Medizingeschichte, sondern der Theologie. Im Übrigen: „Bruder“ kann viel sein. Auch die Gemeindemitglieder von Qumran am Toten Meer nannten sich gegenseitig Brüder.

Wäre es ein erneuter Beweis der Existenz Jesu?

Darum hat man sich im 19. und 20. Jahrhundert bemüht – die Sache ist erledigt. Wer heute noch die Existenz Jesu bestreitet, der wird auch bestreiten, dass Platon, Friedrich II. von Preußen oder Kaiser Wilhelm II. gelebt haben.

Ist es also eine Fälschung, um Kasse zu machen?

Natürlich ist es ein unheimlicher Besitz. Aber allein die Auffindungsgeschichte: Das erfordert ja schon mehr Glauben als an die Jungfräulichkeit Mariens. Da hat jemand 15 Jahre lang einen Fund, und dann fällt ihm plötzlich ein, das mal untersuchen zu lassen. Dann diese Publikation des Fundes am Fest des Heiligen Jakobus nach dem orthodoxen Kalender! Nein, es hat wohl was mit Geld zu tun – oder vielleicht nur mit Ansehen.

Wird nächstes Jahr noch jemand davon reden?

Wenn es keinen Irakkrieg gibt, wird CNN dafür sorgen, dass man weiter darüber redet, weil sie einen Film zu verkaufen haben. Vor etwa drei Jahren hat jemand behauptet, er habe im Ägyptischen Museum in Berlin das fünfte Evangelium gefunden. Davon redet kein Mensch mehr. INTERVIEW: PHILIPP GESSLER

Rainer Kampling (49) ist Professor für biblische Theologie am Seminar für Katholische Theologie der FU Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen