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Killen die Natur mit einem Groove

Ziemlich explosiver und gefühlsbetonter loser Haufen in der Spur der Young British Artists: Was Add N to (X) seit ihrem Debüt zusammenloopen und -samplen, handelt immer von Sex und Elektronik. Heute Abend tritt die Elektropunkband im Bastard auf

von HARALD FRICKE

Die Formel, ach ja, die Formel. Musik braucht eine Formel, und Mathematik war schon das Geheimnis von Johann Sebastian Bach. Wohltemperiert, eins, zwei, drei, vier, dann wieder „Four to the floor“, irgendwas geht immer. Insofern haben sich Add N to (X) mit ihrem Bandnamen auf nichts festgelegt: Eigentlich ist bei einer Rechnung mit zwei Unbekannten so ziemlich alles möglich. Zugleich steckt dahinter ein trickreiches Konzept. Denn die Band selbst ist auch nur ein loser Haufen, der auf Platten und CDs die Stücke je nach Studiolage einspielt. Mal ist allein Steve Claydon für die Ausführung verantwortlich, mal holt sich Ann Shenton die Multiinstrumentalistin Katia Isakoff dazu; und wenn Barry 7 nicht gerade obskure Lounge-Sounds aus den Seventies-Archiven von PYE-Records für eine Kompilation zusammenmixt, nimmt er sich eine gute alte Rock-’n’-Roll-Scheibe, die bei ihm zur fetten Beat-Orgie mutiert.

Für „Invasion of the Polaroid People“ auf dem neuen Album „Loud Like Nature“ hat sich Barry 7 an Kim Fowley vergriffen. Auch das ist eine seltsame Mischung: Der dirty old producer der Runaways schleppt sich mit brüchiger Stimme durch eine Verschwörungsgeschichte, während der Rhythmus erheblich am Electroclash-Hype entlangschleift. Aber die Zutaten stimmen: Sex und Elektronik, davon handelt so fast alles, was Add N to (X) seit ihrem Debüt 1998 zusammengeloopt und -gesampelt haben.

In England hat man sie deshalb schnell in die Kunstecke gestellt. Natürlich kam die Nähe zu den Young British Artists auch dadurch zustande, dass Add N to (X) mit dem Turner-Prize-Träger Chris Ofili schon 1999 einen Song über Elefantendung aufgenommen haben und Steve Claydon sich gerne auf Eröffnungen herumtreibt. Trotzdem ist für ihn das, was er mit seinem Industrial-Kollektiv in den letzten drei Jahren auf den Weg gebracht hat, „ein politisches Statement“, wenn nicht gar Punk. Auch das ist eine Attitüde, die man mit den derzeitigen Eighties-Revivalisten aus der Technoszene teilt.

Doch den Rest trennen Welten. Während sich die Rückkehr von New-Wave-Billig-Casio-Synthies und Zickzackfrisuren auf die Imageproduktion von einst beruft und ansonsten sehr lahmarschige Beats laufen lässt, ist bei Add N to (X) eine Programmatik zu erkennen, die alles künstlerisch durcheinander mischt, was laut und tanzbar klingt: MC5-Sprengsel schaukeln sich mit Schweinerock hoch, Old-School-Electronica wird mit schlüpfrigen Erotik-Soundtracks aufgemotzt, zu denen im Video Sexroboter ihre Fantasie ausleben dürfen. Die aktuelle CD wiederum ist fast kontrazyklisch zwischen HipHop und trashigem Geschrammel angelegt. „Loud Like Nature“ soll für Claydon eine Art Selbstporträt am Computer aufzeigen – vor allem die animalische Seite, die in einigen der Maschinen steckt, mit denen Add N to (X) herumbasteln. So viel Expressivität findet sich sonst nur in der wilden Malerei, die momentan ja auch wieder schwer in Mode ist. Oder wie Claydon sagt: „Wir sind ziemlich explosive und gefühlsbetonte Menschen.“

Heute Abend ab 22 Uhr, Bastard im Prater, Kastanienallee 7–9, Prenzlauer Berg

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