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Schmökel vor Gericht

Prozess gegen Sexualstraftäter Frank Schmökel beginnt. Es sprechen seine Briefe – der Angeklagte schweigt

NEURUPPIN ap ■ Zwei Jahre nach seiner spektakulären sechsten Flucht aus dem Maßregelvollzug muss sich der psychisch kranke Gewaltverbrecher Frank Schmökel wegen Mordes und dreifachen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten. Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen begann am Montag im brandenburgischen Neuruppin der Prozess gegen den 40-jährigen Rinderzüchter.

Schmökel wurde an Händen und Füßen gefesselt von zwei maskierten Polizisten durch einen Geheimgang in den Saal 1 des Landgerichts Neuruppin geführt, wo das Landgericht Frankfurt (Oder) aus Sicherheitsgründen an allen elf geplanten Prozesstagen verhandelt. Während des Verfahrens bewachten ihn zehn Sicherheitskräfte und Krankenpfleger. Der 1,92 Meter große Angeklagte, der mit Sonnenbrille, Vollbart und schwarzer Kapuze zur Verhandlung erschien, wollte zunächst nicht aussagen. Die ihm zur Last gelegten Straftaten hatte er bereits in Briefen an Bekannte gestanden.

Die von Oberstaatsanwalt Hartmut Oeser verlesene Anklage wirft dem Insassen des Maßregelvollzugs vor, am 25. Oktober 2000 während eines genehmigten Besuches bei seiner Mutter im brandenburgischen Strausberg geflüchtet zu sein und dabei einen Pfleger sowie seine Mutter niedergestochen und einen weiteren Pfleger leicht verletzt zu haben. Acht Tage später erschlug er laut Staatsanwaltschaft einen 60-jährigen Mann, um an dessen Auto zu gelangen.

Erst nach einer der umfangreichsten Großfahndungen in der Geschichte der Bundesrepublik war Schmökel am 7. November wieder gefasst worden. Wenige Wochen später gestand er die Gewalttaten in mehreren Briefen an Bekannte, die im Mittelpunkt des ersten Prozesstages standen und vor Gericht verlesen wurden. Darin erklärt der wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung von Kindern bereits zu 14 Jahren Haft Verurteilte, er sei von seiner Mutter als Kind sexuell genötigt worden. Der dadurch entstandene Hass auf Frauen sei das Motiv für die Sexualverbrechen gewesen. In den Briefen kritisiert Schmökel auch die Zustände im Brandenburger Maßregelvollzug. Nach acht Jahren ständig wechselnder Therapien fühle er sich schlimmer als zuvor. „Heute bin ich ein Sexmonster“, schrieb er kurz vor seiner Flucht im Oktober 2000 einem Freund. Die Richter müssen vor allem darüber entscheiden, ob Schmökel während der Flucht schuldfähig war. Dann drohen ihm lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung.

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