: Schlank in die Ehe: eine Verlustrechnung
Da der Staatsvertrag nur Eckpunkte vorgibt, bleibt noch genug, worüber sich alle Beteiligten streiten können. Klar ist nur, dass am Ende weniger zu sehen und zu hören sein wird – und das geht vor allem zu Lasten von freien Mitarbeitern
„Die Besitzstandswahrer sind los“, höhnt es bei den freien Mitarbeitern von ORB und SFB. Angesichts der mit Personalvertretungsfragen verstopften medienpolitischen Fusionsdebatte werde vergessen, dass sie die Hauptlast der Vereinigung zu tragen hätten: „Bevor da ein Festangestellter fliegt, sind zig Freie weg vom Fenster“, sagt ein Betroffener. Und: Es sei doch klar, dass die Zahl der Programme beim neuen RBB zurückgehen werde.
Vier sind schon heute quasi fusioniert: „Ein Gemeinschaftsprogramm von SFB und ORB“, heißt es bei Fritz, Radio Eins, Radio Kultur und InfoRadio. Fritz und Radio Eins werden im späteren RBB-Radiohaus Babelsberg produziert. Aus Charlottenburg senden Radio Kultur und InfoRadio. Der Informationskanal, dessen private Konkurrenz FAZ-Businessradio gerade in die Knie geht, ist allerdings nicht in ganz Brandenburg zu empfangen. Ohne ORB-Beteiligung produziert der SFB bisher Multikulti und sein „Stadtradio“ 88acht. Der ORB macht seine „Antenne Brandenburg im Alleingang“ – und die Kulturwelle Radio 3 zusammen mit dem NDR.
Nicht alle werden überleben, Radio Kultur und Radio 3 haben die gleiche Ausrichtung und nur wenig Hörer. Beide Programme weiter zu betreiben, dürfte schwer zu begründen sein. Die Frequenzenverteiler von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) sind ohnehin nicht glücklich mit dem doppelten Kulturangebot.
Von den beiden dritten Fernsehprogrammen wird langfristig auch nur eins übrig bleiben, mit regionalen Fenstern für die Brandenburger Regionen und die Stadt Berlin. Ursprünglich sollte der Staatsvertrag auch lediglich die TV-Regionalstudios in Cottbus und Frankfurt (Oder) garantieren. Die PDS setzte bei der Ratifizierung im brandenburgischen Landtag allerdings auch den Erhalt der Studios Prenzlau und Perleberg durch.
Hauptstreitpunkt ist daher die Personalfrage. Die Gewerkschaften befürchten Abbau von Arbeitsplätzen – auch wenn beide Anstalten immer wiede betonen, es gebe „keine fusionsbedingten Kündigungen“. Auch nennt der Staatsvertrag weder Ober- noch Untergrenze für das künftige RBB-Personal. Von den zunächst rund 1.800 Mitarbeitern kommen 1.200 vom SFB, die restlichen 600 vom ORB. Der Streit um Namen und Sitz ist hingegen beigelegt – mit Bauchschmerzen für die Brandenburger. Denn der neue Intendant wird zwar sowohl ein Büro in Berlin und eins in Potsdam haben, der Gerichtsstand – und damit faktisch der Sitz der Anstalt – aber ist Berlin.
Im obersten RBB-Gremium, dem Rundfunkrat, haben sich die großen Parteien die acht für Parteifunktionäre bestimmten Pöstchen untereinander aufgeteilt: Vier Mitglieder des 30-köpfigen Gremiums stellt die SPD, jeweils zwei kommen aus CDU und PDS. Diese Anzahl hängt von den Landtagssitzen ab. Die Grünen gehen hierbei leer aus, da die SPD ein Verteilungsverfahren nach d’Hondt durchsetzte, das kleinere Fraktionen benachteiligt. Im Januar wird der Intendant gewählt. Streng staatsfern, natürlich. MARKUS MÜNCH
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