regierungserklärungen

Flut der großen Worte

Kaum ein anderer Auftritt eines Kanzlers sorgt für mehr Aufmerksamkeit als seine Antrittsrede. Oft werden große Erwartungen daran geknüpft, selten zu Recht. Das Motto von Schröders Antrittsrede 1998 („Weil wir Deutschlands Kraft vertrauen“ und „Die Republik der neuen Mitte“) ist wohl auch aus Sicht seiner Redenschreiber mit gutem Grund in Vergessenheit geraten.

Konrad Adenauer begann seine erste Regierungserklärung 1949 mit den Worten: „Das Werden des neuen Deutschlands“. Sein Nachfolger Ludwig Erhard (CDU) rief 1965 die „formierte Gesellschaft“ und das „Ende der Nachkriegszeit“ aus und verlangte: „Wir müssen unsere Ansprüche zurückstecken oder mehr arbeiten.“

Eher Visionäres verkündete der erste SPD-Kanzler Willy Brandt 1969 unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“. „Nein, wir sind nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an“, rief er. 1973 formulierte schon Brandt nach seiner Wiederwahl die Politik der „neuen Mitte“. Brandts Nachfolger Helmut Schmidt stellte sein Antreten unter die pragmatischen Leitworte: „Kontinuität und Konzentration“.

In seiner letzten Antrittsrede 1980 sorgte Schmidt mit dem Appell, die „zunehmende Fernsehberieselung der Heranwachsenden“ zu stoppen, für viele Diskussionen. Über die Forderung von CDU-Kanzler Helmut Kohl nach der „geistig-moralischen Wende“ in seiner ersten Antrittsrede 1982 empörte sich die Opposition noch jahrelang.

Einige Dauerbrenner – wie das Versprechen, Arbeitslosigkeit und Steuern zu senken – gehören zum Standardrepertoire. „Wir werden durch eine energische Förderung der Bautätigkeit eine allgemeine Belebung des Arbeitsmarktes herbeiführen“, verkündete Adenauer schon 1949. „Vorrangige wirtschaftliche Aufgabe ist die Arbeit zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung“, erklärte Schmidt 1976. „Aufgabe Nummer eins ist die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit“, gab Kohl 1983 als Parole aus. „Unser drängendstes und auch schmerzhaftestes Problem bleibt die Massenarbeitslosigkeit“, so hörte es sich vor vier Jahren bei Schröder an. DPA/TAZ

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