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Der Müll wird neu sortiert

BSR will Müllverbrennung in Ruhleben ausbauen, weil der frisch privatisierte Entsorger Schwarze Pumpe lieber den Abfall gut zahlender Gewerbekunden nimmt. Zudem soll die Biotonne auf den Müll

von STEFAN ALBERTI

Berlin muss bei der Müllentsorgung drastisch umplanen. Der Betreiber der Abfallanlage SVZ in Brandenburg machte gestern deutlich, dass sein Betrieb – Standpfeiler des bisherigen Konzepts – für Berliner Hausmüll ausfällt. Die Stadtreinigungsbetriebe (BSR) wollen daher ihre Müllverbrennungsanlage in Ruhleben um rund die Hälfte ausbauen. Für Kritiker kommt das einem Neubau gleich. Das aber würde gegen den Koalitionsvertrag von SPD und PDS verstoßen. Zugleich plant die BSR, die Biotonne abzuschaffen. Umweltsenator Peter Strieder (SPD) mochte sich gestern in der Frage des Ruhleben-Ausbaus nicht festlegen. Bei der Tonne ließ er klar erkennen, dass sein Herz nicht daran hängt. Eine Entscheidung im Senat sei jedoch noch nicht gefallen.

Hintergrund der Debatte ist eine Umweltverordnung des Bundes. Danach darf ab Juni 2005 Müll nicht direkt aus der Tonne auf die Deponie gelangen, sondern muss – so die Fachsprache – „vorbehandelt“ werden mittels aufwändiger Trennung und Aufbereitung. Ein Großteil des Berliner Hausmülls sollte nach solcher Vorbehandlung im SVZ landen und zu Methanol werden, das im Idealfall später die Müllfahrzeuge der landeseigenen BSR antreiben würde.

Diese Vorstellung ist vom Tisch. Bei einer Anhörung im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses nannte SVZ-Betreiber Oresto GmbH die Kapazitäten der Anlage „völlig überschätzt“. Oresto hatte das defizitäre SVZ im Juli von den Berliner Wasserbetrieben gekauft und sieht seinen Platz bei Gewerbekunden, die höhere Preise zu zahlen bereit sind – „da sind wir skeptisch, dass Berlin unser typischer Kunde sein kann“.

BSR-Chef Peter von Dierkes nannte diese Situation „nicht voraussehbar“. Als Ausweg die Ruhlebener Verbrennungsanlage auszubauen hält die BSR mittelfristig für günstiger, als den Müll dauerhaft zu Anlagen außerhalb Berlins zu transportieren. Offen blieb die Frage zukünftiger Müllgebühren. Laut BSR wäre es unseriös, zum jetzigen Zeitpunkt Aussagen darüber zu machen.

Michael Dahlhaus, Abfallexperte des Bunds für Umwelt und Naturschutz, nannte das BSR-Konzept „fragwürdig“ und wehrte sich gegen die Planungen für Ruhleben: „Der vorgebliche Ausbau kommt einem Neubau gleich.“ Senat und BSR hätten die Entsorgungssicherheit des Landes an die Wand gefahren, sagte er. „Jetzt kann es nur noch um Schadensbegrenzung gehen.“

Laut Umweltsenator Strieder will der Senat sich Ende November, Anfang Dezember dazu äußern, wie es in der Abfallpolitik weiter geht. „Die Entscheidung ist noch nicht getroffen“, sagte er. Etwas zweideutig äußerte sich Strieder zum geplanten Ruhleben-Ausbau. Eine „pure Verbrennung“ soll es zwar nach seinen Worten mit ihm nicht geben –„im Berliner Senat und in der Koalition sitzen keine Feuerteufel.“ Zugleich sah er aber auch in der Verbrennung eine Form der Verwertung und der Energiegewinnung. Deutlicher äußerte sich Strieder zur Biotonne, die in zukünftigen BSR-Planungen aus Kostengründen nicht mehr vorkommt. Sie hielt er allein in den Randgebieten Berlins für richtig.

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