: Siegel mit kurzer Reichweite
Öko-Label für Kleider werden bekannter. Hersteller verwenden sie, weil Endprodukte sauberer sind. Auf saubere Produktion wird weniger Wert gelegt
STUTTGART taz ■ Sonderangebote bei Lidl oder Aldi ziert der Button „Textiles Vertrauen“. Macht die angespannte Marktlage Öko-Labels zum zusätzlichen Verkaufsargument? Böse Zungen behaupten: Öko-Signets spielten beim Kauf ohnehin keine Rolle. Eine diese Woche vorgestellte Studie der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Forschungsgemeinschaft Öko-Tex zeigt: Die Labels werden bekannter und dienen durchaus als Entscheidungshilfe.
Laut den Konsumforschern hat etwa jeder Dritte noch nie ein Textilsiegel gesehen. Das am meisten beworbene und wiedererkannte ist der Öko-Tex Standard 100 (das Blümchen auf dem Innenetikett), dessen Bekanntheit von 13 auf 24 Prozent zugelegt hat. Ähnlich die an ihn angelehnten Zeichen von Otto, Quelle und C & A. Bereits 78 Prozent der Textilien im Otto-Katalog, 80 Prozent des Textilsortiments bei C & A und 40 bis 45 Prozent bei Quelle tragen ein Prüfzeichen oder erfüllen die Bedingungen dafür.
Entgegengesetzt verläuft die Entwicklung im Bereich Naturtextilien. Während im Jahr 1999 noch 40 Prozent der Befragten reine Naturfaserqualität als wichtiges Kaufkriterium nannten, sind es jetzt nur noch 35 Prozent. Die Firmenlogos von Naturtextilanbietern wie der Pandabär vom WWF, Green Cotton, Albnatur und Hess Natur haben durchweg an Bekanntheit verloren. Vermutlich wächst mit dem Angebot an hochwertigen Bekleidungstextilien aus synthetischen Fasern auch deren Akzeptanz. Da wundert es nicht, dass die Versandhäuser Otto und Neckermann ihre Naturtextil-Label aufgegeben haben. Allerdings erweitert der Otto-Versand sein Angebot von Produkten aus kontrolliert biologisch angebauter Baumwolle und tritt damit in Konkurrenz zum Gütesiegel „Naturtextil“.
Laut der GfK zählen beim Kauf nach wie vor Qualität, Preis und Hautverträglichkeit zu den wichtigsten Kriterien. Marke, Hersteller und Herkunftsland spielen nur eine untergeordnete Rolle. „Verbraucher freuen sich, wenn an einem Stück, das ihnen in puncto Design und Passform gefällt, noch das Label hinzukommt“, kommentiert Stefanie Hütz, Umweltreferentin des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels (BTE).
Die früher ablehnende Haltung des Handels wie des BTE hat sich inzwischen gewandelt. „Im deutschen Handel ist festzustellen, dass die Hemmschwelle sinkt, gelabelte Ware neben die „normale“ zu hängen. „Früher ging damit die Sorge einher, damit das Standardsortiment als gesundheitsgefährdend abzuwerten“, so Stefanie Hütz.
Allerdings fehlt weitgehend die Bereitschaft, eine jahrealte Empfehlung der Enquetekommission „zum Schutz des Menschen und der Umwelt“ zu befolgen: den Blick beim Öko-Labelling vom Endprodukt und den Risiken für die Kunden stärker in Richtung Produktion auszuweiten. Auch Verbraucher- und Umweltverbände fordern, Umweltschutz und Sozialverträglichkeit im Sinne der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.
Doch im Gegensatz zu rund 28.000 Zertifikaten, die seit Beginn für den bekannten Öko-Tex Standard 100 vergeben wurden, schafften bisher nur 26 Betriebe die Auszeichnung mit dem weiter gehenden Öko-Tex Standard 1000 für die gesamte Produktionskette – in Deutschland allein Eterna.
Auch das Siegel der Europäischen Union, die EU-Blume, bewegt sich mit 41 Labelnehmern noch im Promillebereich. Das „lasche Gänseblümchen“ wurde jüngst unter dänischer Führung von allen Mitgliedsstaaten deutlich verschärft, wartet aber ebenso wie das viel gelobte Naturtextillabel des Verbands der Naturtextilwirtschaft (IVN) mit seinem Ökoanbau noch auf den Durchbruch. Bislang gehören 12 Firmen zu den Labelnehmern, samt 561 zertifizierten Produkten am Markt. Bis die Mode von der Faser bis zum Ladentisch öko ist, wird es noch ein Weilchen dauern. MONIKA BALZER
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