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Kleine Schritte, große Schnitte

Während Superminister Clement im Bundestag unverbindlich bleibt, sickern erste Details für die Umsetzung der Hartz-Pläne durch: Wer als Arbeitsloser eigenes Vermögen oder einen berufstätigen Partner hat, könnte bald schlechter dastehen als bisher

Im Gesetzentwurf kommen die Grausamkeitennoch gar nicht vor

von HEIDE OESTREICH

Es wirkt. Noch. Wieder und wieder hat die Regierung davor gewarnt, das Hartz-Konzept zu „zerreden“. Gestern im Bundestag erweiterte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in seiner ersten Rede als Superminister den Appell: Eine „Allianz der Erneuerung“ sollte „Aufbruchstimmung“ erzeugen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Grau-in-Grau-Stimmung in Deutschland weiter verbreitet.“ Im Gegenzug versprach er „die Revolution der Arbeitsvermittlung“ mittels Hartz-Gesetz. Ein geschicktes Rezept, mit dem man die Berufskritteler aus Opposition und Gewerkschaften schon im Vornherein zu Miesmachern stempelt.

„Kein großer Wurf“ sei das Hartz-Konzept, hielt Friedrich Merz dagegen, der Fraktionsvize der Union. Und er wich schnell aus: Ohne Senkung der Staatsquote nützten die schönsten Hartz-Pläne nichts. Die Gewerkschaften, aufgeschreckt durch unschöne, allerdings auch völlig unbestätigte Kürzungspläne beim Arbeitslosengeld, hatten zwar mahnend die Stimme erhoben. Doch es war am Dienstagabend nur ein Gespräch im Kanzleramt nötig, und schon flötete es aus den Pressestellen nur noch: „konstruktive Perspektiven“.

Auch der Gesetzentwurf zur Umsetzung des Hartz-Papiers, der der taz vorliegt, bietet nicht mehr Angriffsfläche als das Konzept selbst. Konkrete Kürzungszahlen sucht man darin vergebens. Clement kann also mit gutem Grund behaupten, das Gesetz werde so ausfallen, dass „es der Opposition schwer fällt, abzulehnen“. Die Grausamkeiten, die dieser Tage immer mal wieder aus dem Ministerium sickern, wird die Regierung tunlichst in einem weiteren Gesetzespaket unterbringen.

Nicht umsonst versprach Orakel Clement deshalb im Bundestag „gewaltige Schritte, die tiefer gehen, als bisher zu erkennen war“. Sagte er Schritte oder Schnitte? Bekannt wurde mittlerweile, dass die Regierung plant, das Arbeitslosengeld von Eltern von 67 auf 60 Prozent des Nettolohnes zu kürzen. Pro Kind gibt es nur noch einen Ausgleich von 35 Euro zusätzlich. Auch die Unterstützung von Arbeitslosen in beruflicher Weiterbildung sollen um 10 Prozentpunkte auf 57 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens gekürzt werden.

Die IG Metall hat derweil schon ausgerechnet, dass durch die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe 27 Prozent der bisherigen Empfänger von Arbeitslosenhilfe schlechter gestellt würden als bisher. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sollen durch ein neues „Arbeitslosengeld 2“ ersetzt werden. Es ist für alle erwerbsfähigen Arbeitslosen bestimmt, die kein normales Arbeitslosengeld mehr beziehen. Ihre Bezüge sollen einheitlich geregelt werden – allerdings zu teilweise schlechteren Bedingungen als zuvor. So wird beim Arbeitslosengeld 2 in Zukunft auf die Bedürftigkeit geschaut, wie heute bei der Sozialhilfe. Das bedeutet, dass nicht nur das Einkommen des Lebenspartners angerechnet wird, sondern auch ein größerer Teil des Ersparten als bisher. Gilt heute für Empfänger von Arbeitslosenhilfe, dass sie für jedes Lebensjahr 520 Euro Vermögen behalten dürfen, so soll dieser Betrag in Zukunft halbiert werden.

Und was sagt die Regierung dazu? „Niemand wird durch diese Veränderungen in die Sozialhilfe abgedrängt“, so Clement gestern. Kein Wunder – arbeitsfähige Arbeitslose haben nach Hartz ja auch keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, suchte die Einschnitte gestern etwas abzumildern. Es handele sich bei den Zahlen um „irgendwelche Modellrechnungen“, sagte sie der taz. „Es gibt noch keine konkrete Vorlage.“ Dass jedoch das Arbeitslosengeld 2 für einige nicht mehr so komfortabel wird wie die heutige Arbeitslosenhilfe, bestätigte sie. Die Grünen wollten im Gegenzug erreichen, dass man mehr Geld zur Staatsleistung zuverdienen dürfe. „Es gibt keine Absenkung auf das Niveau der Sozialhilfe“, konstatierte Dückert. Wie weit darüber, sagte sie nicht.

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