: Energie aus historischen Staustufen
Innovativ: Karlsruher Firma Hydro-Energie Roth entwickelt ein bewegliches Wasserkraftwerk für niedrige Fallhöhen. Das senkt nicht nur die Baukosten um bis zu 35 Prozent, sondern kommt auch den Fischen sowie der Flussökologie erheblich zugute
Andreas Roth dämpft erst einmal alle Spekulationen. „Das ist eine ganz normale Kaplan-Rohrturbine“, sagt der Karlsruher Wasserbauingenieur, „ein Standardprodukt des europäischen Hydraulik-Maschinenbaus“ – also keine Wunderturbine.
Und dennoch hat die badische Firma Hydro-Energie Roth GmbH sich ihr Projekt soeben patentieren lassen. Denn das Neue ist nicht die eigentliche Kraftmaschinentechnik. Innovativ ist die Form und die Art des ganzen Krafthauses: Es ist beweglich, und damit unter- sowie überströmbar. So spare man Kosten, verringere den Eingriff in die Flussökologie – und erhöhe sogar noch den Stromertrag.
Am Anfang der Entwicklung stand die Erkenntnis, dass es an mitteleuropäischen Fließgewässern viele Staustufen mit Fallhöhen um zwei Meter gibt. Oft sind es Kulturstaue, die gebaut wurden, um die Tiefenerosion als Folge von ehemaligen Flussbegradigungen zu verhindern, um Flüsse schiffbar zu machen oder auch für ehemalige Flusskraftwerke und Mühlen. „Ein Abriss der Schwellen ist auch aus ökologischen Gründen oft nicht sinnvoll“, sagt Roth. Denn der Eingriff könne die Erosion erhöhen oder die inzwischen angepasste Fauna und Flora schädigen.
Da man somit die Staustufen sinnvollerweise erhält, bieten sie sich zur Energiegewinnung an. In der Praxis allerdings ist dies mit herkömmlichen Kraftanlagen zumeist unwirtschaftlich, da eine große Wassermenge und eine geringe Fallhöhe einen großen baulichen Aufwand erfordern, dem keine entsprechenden Erträge gegenüberstehen. Da zudem der lokale Hochwasserschutz dazu führt, dass der Oberwasserspiegel nur wesentlich langsamer ansteigen darf als der Unterwasserspiegel, sinkt die Fallhöhe bei steigendem Flusspegel mitunter erheblich. Viele Anlagen an derartigen Stufen bringen daher bereits bei stark erhöhten Abflüssen keine Erträge mehr.
Die Firma Hydro-Energie Roth wollte daher ein Kraftwerk entwickeln, das nur geringe Eingriffe in das Ökosystem erfordert, und zugleich ein verbessertes Kosten-Nutzen-Verhältnis bietet. Heraus kam ein Konzept, das ohne Ausleitungsstrecke auskommt: Die Turbine wird am Wehr direkt in die Fließrichtung des Wassers gesetzt – eine Umlenkung der Strömung, die stets Energieverluste mit sich bringt, wird vermieden. Zudem wird das Kraftwerk ständig überströmt, dient somit auch als Fischabstieg und ist kaum sichtbar. Die Baukosten sinken nach Angaben der Hydro-Energie Roth unter anderem durch geringere Baumassen um 25 bis 35 Prozent.
Bleibt das Problem mit dem Geschiebe: Die meisten Flüsse führen bei Hochwasser Steine und Geröll mit sich, die am Kraftwerk vorbeigeschleust werden müssen. Oder der Betreiber muss, um Leistungseinbrüche zu verhindern, regelmäßig ausbaggern – was aufwändig und teuer ist. Also entwickelten die Karlsruher Ingenieure ein neues Konzept: Bei Hochwasser wird das gesamte Krafthaus, das üblicherweise nach hinten um etwa zehn Grad geneigt ist und an seinem Ende den Boden berührt, angehoben. Damit ergibt sich unter dem Krafthaus ein bis zu 2,50 Meter hoher Spalt, in dem sich eine ausreichende Strömung aufbaut, um das gesamte Geschiebe elegant unter dem Turbinenhaus durchzuschleusen. „Sogar einen VW Golf bekäme man auf diese Weise an den Turbinen vorbei“, weiß Andreas Roth.
Mit dem Anheben des Krafthauses schaffe man auch hydraulisch einige Vorteile für das Kraftwerk, erklärt der Konstrukteur: Der bei erhöhten Abflüssen entstehende Staudruck am Krafthauseinlauf und der Sog am Saugrohrende durch die Unter- und Überströmung des Krafthauses erhöhen die Nutzfallhöhe. Damit steigt die Energieausbeute: Der Mehrertrag könne bis zu 15 Prozent erreichen, rechnet Roth vor. „Damit werden mitunter Kraftwerke an Staustufen rentabel, deren Fallhöhe bei mittlerem Abfluss gerade 1,25 Meter beträgt.“
Das ganze Geheimnis liegt in der Form und Beweglichkeit des Krafthauses. „Wir haben hier lediglich eine neue Kombination bekannter Bauteile geschaffen“, sagt Roth. Bei Wassermengen zwischen zwei und 20 Kubikmetern pro Sekunde und Fallhöhen bis zu fünf Meter sei das Konzept realisierbar. Zustimmung kommt unterdessen auch vom Institut für Strömungsmechanik und Hydraulische Strömungsmaschinen an der Universität Stuttgart: „Das bewegliche Krafthaus ist eine sehr innovative Idee“, sagt Institutsleiter Eberhard Göde.
Ein erstes Projekt wird in Kürze im württembergischen Göppingen an der Fils entstehen, nachdem das Wasserecht bereits erteilt wurde. Für ein zweites – in Hausach im badischen Kinzigtal – läuft gerade das Genehmigungsverfahren. Weitere werden folgen: „Wir haben bereits Anfragen für ein Dutzend Standorte“, sagt Roth. Mitunter klopften inzwischen sogar die Genehmigungsbehörden bei den Karlsruhern an – jene Behörden ausgerechnet, die üblicherweise der Wasserkraft wenig aufgeschlossen gegenüberstehen, weil sie Nachteile für den Fischzug befürchten. BERNWARD JANZING
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