Keine Verführung, nirgends

„Baal“, präsentiert vom Berliner Orphtheater beim 5. Festival Politik im Freien Theater, bleibt trotz starker Verausgabung des Hauptdarstellers großteils steril

Vielleicht liegt es an den Räumlichkeiten, dass der Funke nicht überspringt. Mit schweren Vorhängen abgetrennt, hat sich die riesige Halle K2 auf Kampnagel in ein intimes Separée verwandelt. Doch keine Spur von verruchter Salonatmosphäre, in der Baal, der Schmarotzer und Frauenverführer, das Publikum verführen könnte; stattdessen herrscht starkes Gedränge.

Aber immerhin ist der Sound gut. Nicht ganz unwichtig, denn das Berliner Orphtheater macht in seinem Gastspiel beim 5. Festival Politik im Freien Theater aus Brechts Frühwerk Baal ein Konzert voller Versatzstücke aus Punk, Rock und Barmusik. Den Frontmann Baal gibt Uwe Schmieder, ein Energiebündel mit muskulösem nacktem Oberkörper. Die Musik fetzt, Baal röhrt und springt wie ein Punchingball auf der nackten Bühne herum. Doch wenn er den Kontakt zum Publikum sucht und die Treppen hochstürzen will, stoppt ihn eine undurchdringliche Mauer aus Tischen, Stühlen, Pfeilern, Stolperfallen.

Dabei hatte es Vorschusslorbeeren aus Berlin gehagelt. Wild, furios, genial sei diese Baal-Inszenierung. Uwe Schmieder verausgabt sich, das stimmt, aber von dämonischem Charisma ist nur wenig zu spüren. Im naturalistischen Bühnenraum geht es sehr stilisiert zu. Baals Freund Johannes (Roland Josef Bohr), als Supersoftie ins Hasenkostüm gepuschelt, nuschelt unverständlich, alle anderen wiederholen ständig refrainartig ihren Text.

Selbst Baal, der Johannes das Mädchen ausspannt, um sie gleich wieder fallen zu lassen, der seine schwangere Frau Sophie (Antje Görner) verlässt, um zu saufen und herumzuhuren, zieht einen nicht in den Bann. Nur einmal knistert es, als Anna (Nora Bussenius), das süße Mädchen mit den großen braunen Augen und den langen Hasenohren, von Baal verführt wird. Baal kreist sie ein, rückt näher, umgarnt sie, bis er eins ihrer Plüschohren in den Mund nimmt und lasziv daran saugt.

Es dauert, bis Baal auf dem nackten Betonboden verreckt. Dass er irgendwann davor in einer Sternstunde mit Sophie zusammenliegt und in den Himmel schaut, das muss sich hinter dem Pfeiler zugetragen haben. Man kann es nicht sehen, aber man will es auch gar nicht mehr sehen. KARIN LIEBE