Zwei Akte große Qual

„Meistersinger“-Premiere mit Diskussion über „deutsche Kultur“: Die Aufführung überzeugte erst am Ende

Was für ein Abend. Da kündigten das erfolgreiche Musiktheater-Duo Metzmacher-Konwitschny mit Richard Wagners Meistersinger von Nürnberg eine Premiere besonderen Kalibers an, und dann so etwas: Zwei Akte lang quält sich das Staatsorchester mehr mäßig als gut durch die Partitur. Dazu auf der Bühne ein diagonal ins Bild gestelltes Podest mit gemaltem Idyllenprospekt in der ästhetischen Qualität einer „Nürnberger Lebkuchen-Geschenkkiste“. Das Bühnenbild sollte wohl die Assoziation Volkstheater wecken, sah jedoch auf der riesigen Bühne nur nach Einfalls- und Geldmangel aus.

Noch dazu war die Konstruktion akustisch dermaßen dilletantisch gebaut, dass die Stimmen der Sängerinnen und Sänger in der Höhe des Bühnenturms verhallten, statt zum Publikum zu schallen. Und die Besetzung stellte sich dann mit Ausnahme des überzeugenden Hans Sachs von Wolfgang Schöne als bestenfalls durchschnittlich heraus. Da gab es lediglich noch Hans-Joachim Ketelsens Beckmesser, Harald Stamms Pogner und im dritten Akt die Eva der Anja Harteros als Mitwirkende mit bemerkenswerten Qualitäten. Vor allem die musikalisch und dramaturgisch wichtige Rolle des Walther von Stolzing war mit John Treleaven schwach besetzt. Und die Regie gefiel sich in den ersten beiden Akten vorwiegend mit der Aneinanderreihung von Plattitüden.

Und dann die Überraschung: Mit Beginn des dritten Akts klangen Orchester und Sänger wie ausgewechselt. Metzmacher nahm sich endlich Zeit, formte die musikalischen Details mit großer Innenspannung und entwickelte nun weite Spannungsbogen. Auch das Bühnenbildkonzept bekam durch den neuen Hintergrund einer Luftaufnahme des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Nürnberg eine ganz andere atmosphärische Dichte. Das große Quintett geriet in dieser Kulisse zum musikalischen Höhepunkt der Aufführung.

Das geradezu Wunderbare geschah erst im letzten Bild, der Festwiese. Endlich wurde die ganze Bühne genutzt: für die optisch geradezu überrumpelnde Idee, die Wiese aus Sicht im Gras herumkrabbelnder Insekten malerisch darzustellen. Zu guter Letzt gab es nun Ideen in Hülle und Fülle und eine von Konwitschny brillant inszenierte Diskussion über „deutsche Kultur“, die auf der Bühne begann und dann ins Publikum getragen wurde: ein glänzender Coup, ein überwältigender dritter Akt und zwei Akte zum Vergessen.

Reinald Hanke

nächste Vorstellungen: 7. + 13.11., 17–23 Uhr, Staatsoper