: Animierter Nihilismus
Verfilmung des 40er-Jahre-Mangaklassikers „Metropolis“: Rintaros Anime „Robotic Angel“
von MATTHIAS SEEBERG
Man muss kein Aficionado japanischer Animationsfilme sein, um von den Bildern in Robotic Angel schwer beeindruckt zu sein. Der Film unter der Regie von Rintaro basiert auf dem aus den 40er Jahren stammenden Mangaklassiker Metropolis von Osamu Tezuka. Schon vor zwei Jahren entstanden, ist der Anime nun endlich im gleichnamigen Hamburger Kino zu sehen.
Nicht nur in stilistischer Hinsicht, sondern auch im Drehbuch von Akira-Autor Katsuhiro Otomos finden sich etliche Parallelen zu Fritz Langs Zelluloidvision einer technifizierten Megacity aus dem Jahr 1926. Da schadet es auch nicht, dass die Verwendung des Originaltitels Metropolis von der F. W. Murnau-Stiftung untersagt wurde und der Film in Deutschland deshalb als Robotic Angel läuft.
Duke Red, der mächtigste Tycoon von Metropolis, will die Fertigstellung seines gigantischen Hochhauses namens Ziggurat mit technischer Hybris krönen: einem perfekten Androiden, der mit Metropolis die ganze Welt beherrschen soll. Zwar zerstört sein Ziehsohn Rock aus Vaterliebe das Laboratorium des Wissenschaftlers Dr. Laughton, in dem der Maschinenengel Tima auf seine Vollendung wartet. Doch Tima wird von Kenichi, dem jungen Assistenten eines japanischen Detektivs, gerettet. Und daraufhin beginnt eine abenteuerliche Jagd durch die in verschiedene Zonen aufgeteilte Anderswelt von Metropolis.
Zugleich wird eine Revolution kommunistischer Rebellen nach einer anfänglichen Allianz vom politischen Establishment verraten und gipfelt im zerstörerischen Austand der Roboter gegen ihre Schöpfer. Tima greift hier aus Verzweiflung als apokalyptischer Engel der Geschichte ein.
Fritz Langs theatralisch inszenierte Allianz von Arbeit und Kapital brachte ihm seinerzeit die bedenkliche Sympathie von Joseph Goebbels und die verständliche Kritik von Siegfried Kracauer ein. In Robotic Angel sind es ein romantisierter Nihilismus und eine verkürzende Darstellung revolutionärer Utopien, die einem bitter aufstoßen müssen. Der Klassenkampf wird als emotionale Überreaktion auch nur vom Willen zur Macht getriebener Terroristen karikiert und die Frage nach einer Lösung gesellschaftlicher Probleme mit Bildern des Untergangs beantwortet. Fundamentalistisch denkenden Apokalyptikern mag das vielleicht runtergehen wie Öl, aber aus ideologiekritischer Sicht hätte man gemessen am Potenzial der Geschichte etwas mehr erwarten können.
Visuell hingegen gelingt es dem Film, ein faszinierendes Universum erstehen zu lassen. Die an Albert Speers gigantomanische Vorstellungen erinnernde Architektur und die bis ins Detail reichenden Elemente aus den dystopischen Entwürfen Philip K. Dicks oder J. G. Ballards eröffnen ein Kaleidoskop, in dem sich Versatzstücke aus Blade Runner, Brazil, Das fünfte Element und vergleichbaren Dokumenten aus der Zeit des Weimarer Kinos wiederfinden.
Der jazzige Soundtrack und die unerwarteten Perspektiven der „Kamera“ schaffen eine düstere Atmosphäre, die sonst als typisch für den Film noir gilt. Und wenn zur apokalyptischen Endsequenz Ray Charles‘ „I Can‘t Stop Loving You“ erklingt, grüßt Kubricks Dr. Strangelove von Ferne mit einem Augenzwinkern.
heute, morgen + 9.11., 21.15 Uhr, 8.11., 21.45 Uhr, 10.11., 17 Uhr, 13.11., 19.15 Uhr, Metropolis
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