: Türkei bleibt auf EU-Kurs
Nach dem Wahltriumph der religiös-konservativen AKP will EU weitere Reformen am Bosporus „genau verfolgen“. Bundesregierung sieht positive Signale. Union: Türkei nicht reif für EU-Beitritt
ANKARA/BRÜSSEL afp/dpa/taz ■ Nach dem deutlichen Wahlsieg der religiös-konservativen AK-Partei in der Türkei hat die EU der künftigen Regierung in Ankara ihre Zusammenarbeit angeboten. In einer gestern veröffentlichten Erklärung äußerte die EU-Kommission die Erwartung, „dass die Türkei ihr Eintreten für die Reformen bekräftigt, die für einen Beitritt nötig sind“. Die Kommission werde die Fortschritte bei den Reformen „genau verfolgen“. Erweiterungskommissar Günter Verheugen sagte, es komme jetzt darauf an, sich auf die Politik und nicht auf die Religion zu konzentrieren.
In den anderen Hauptstädten der EU rief der Wahlausgang unterschiedliche Reaktionen hervor. Die deutsche Bundesregierung erklärte, sie habe die ersten Signale der AKP mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Zu einer eingehenden Beurteilung müssten aber noch die Regierungsbildung und das Regierungsprogramm abgewartet werden.
Demgegenüber wertete die Opposition das Wählervotum als Beleg dafür, dass die Türkei für einen EU-Beitritt noch nicht reif sei. Die absolute Mehrheit der AKP drohe das Land weiter von der EU zu entfernen, sagte der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Hintze.
Griechenlands Außenminister George Papandreou kündigte an, den proeuropäischen Kurs der Türkei, seines langjährigen Erzrivalen, unterstützen zu wollen. Demgegenüber gab Frankreichs Exaußenminister Hubert Védrine seine Zurückhaltung auf. „Die Türkei ist kein Land Europas und hat nicht mehr Grund, der Europäischen Union anzugehören, als die EU, Mitglied der Organisation Afrikanischer Einheit zu sein“, sagte er der belgischen Zeitung La Libre.
Bereits kurz nach der Wahl hatte der Chef der AKP, Recep Tayyip Erdogan, eine unbedingte Fortsetzung des proeuropäischen Kurses angekündigt. Unklar war gestern, wer neuer Ministerpräsident werden soll. Die AKP werde am Dienstag und Mittwoch zusammenkommen, um über die Nominierung zu entscheiden, sagte Erdogan der Zeitung Milliyet.
Der amtierende Ministerpräsident Bülent Ecevit trag gestern nach der schweren Wahlniederlage zurück. Auf Bitten des Präsidenten Ahmet Necmet Sezer will er aber die Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung weiterführen. BO
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