Selbstzerfleischung statt Opposition

Bei den britischen Tories geht es derzeit zur Sache. Innerhalb der Partei, im Lager der Modernisierer, wächst der Widerstand gegen ihren Chef Iain Duncan Smith. Der versucht derweil, Abweichler mit autoritären Methoden auf Linie zu bringen

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Die britischen Tories sind in Kampfesstimmung. Da sie in Anbetracht der Machtverhältnisse im Londoner Unterhaus gegen die Labour-Regierung jedoch nichts ausrichten können, zerfleischen sie sich lieber gegenseitig. Die Tage des Parteichefs Iain Duncan Smith, der den Posten erst voriges Jahr nach einem erbitterten Machtkampf ergatterte, scheinen gezählt. Er hat sich die Sache selbst eingebrockt, als er vor zwei Wochen einen Fraktionszwang bei der Unterhaus-Abstimmung über das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare verhängte. Die Modernisierer in seiner Partei warnten ihn, dass ein kompromissloses Nein in dieser Frage die Partei als „herzlos und gemein“ erscheinen ließe. Stattdessen sollte Duncan Smith den Abgeordneten die freie Entscheidung überlassen.

Duncan Smith ging nicht darauf ein – im Gegenteil: Er sprach von „einer kleine Gruppe meiner Parlamentskollegen, die bewusst beschlossen haben, mich zu unterminieren“. Er nannte vier Namen, um seine Gegner bloßzustellen, und fügte hinzu: „Die Konservative Partei will geführt werden. Sie wird es nicht hinnehmen, dass manche ihre persönlichen Ambitionen über das Interesse der Partei stellen. Meine Botschaft ist einfach und deutlich: Einigkeit oder Tod.“

Bei den Tories kam Duncan Smith’ Beschwörung der Parteieinheit nicht gut an, hatte er unter Premier John Major doch 58 Mal gegen die eigene Regierung gestimmt und seinen damaligen Parteichef – der seine parteiinternen Gegner einmal als „Bastarde“ bezeichnete – zermürbt. „Dieser Bastard war der illoyalste Bastard von allen Bastarden, mit denen sich Major herumschlagen musste“, sagte ein Hinterbänkler gestern. „Warum tat er das? Weil er ein Bastard ist.“ Ein anderer Parteiveteran sagte: „Es gibt immer noch zwei große Bestien in dieser Partei, und sie haben Blut geleckt. Für einen ist es die letzte Gelegenheit, Premierminister zu werden, und die lässt er sich nicht entgehen.“

Er meinte damit den 62-jährigen Kenneth Clarke, der unter Margaret Thatcher verschiedene Ministerposten bekleidete und voriges Jahr gegen Duncan Smith im Kampf um die Parteiführung unterlag. Clarke verteidigte seine Entscheidung, für das Adoptionsrecht homosexueller Paare zu stimmen. „Es wäre viel leichter, die Einheit der Partei herzustellen, wenn Iain Duncan Smith keinen Fraktionszwang bei Themen verhängen würde, die bisher stets der individuellen Entscheidung der Abgeordneten überlassen waren“, sagte er.

Die andere „Bestie“, der frühere Verteidigungsminister Michael Portillo, beschuldigte Duncan Smith einer „völlig überflüssigen Falschinterpretation“ der Motive von acht Abgeordneten, die sich nicht dem Abstimmungsdekret unterwarfen. Wie könne er sein Versprechen, die Partei zu modernisieren, mit seiner Ablehnung des Adoptionsrechts für homosexuelle Paare unter einen Hut bringen? Portillo warnte, die Stimmung schlage gegen Duncan Smith um, bestritt jedoch, selbst an der Parteiführung interessiert zu sein. Zu schmerzlich seien ihm die Angriffe der Boulevardpresse in Erinnerung, die ihn bei seinem Versuch, Tory-Chef zu werden, im vorigen Jahr demontierte. Sollte Clarke aber Duncan Smith stürzen wollen, hätte er Portillos Unterstützung, erklärte ein Vertrauter Portillos.

Derzeit würde ein neuer Parteichef einen Trümmerhaufen erben. Duncan Smith, der sich auf dem Parteitag im Oktober als „stillen Mann der Politik“ bezeichnete, muss sich einer Wahl um die Parteiführung stellen, wenn nur 25 Tory-Abgeordnete das wollen. Mehrere Mitglieder des Schattenkabinetts befürchten, dass ihre Partei bei den Parlamentswahlen 2005 hinter die Liberalen Demokraten zurückfallen könnte. Nur Margaret Thatcher ist zuversichtlich. „Die Partei wird überleben“, sagte sie. „Ob Iain Duncan Smith überleben wird, weiß ich nicht. Wir alle müssen irgendwann sterben.“