: Hier kommt der Frosch
„Kinder, soll die Prinzessin ihn küssen?“ – „Ja! Ja! Ja!!!“ Wahre Interaktivität findet heutzutage in Weihnachtsmärchen statt. Zum Beispiel im „Froschkönig“, der im Waldau-Theater Premiere feierte
„Kinder, soll die Prinzessin den Frosch küssen?“ „Ja! Ja! Ja!!!“ Von wegen interaktive Medien, Entscheidungen per TED oder Druckknöpfe im Kino, mit denen das Publikum sich selbst sein Happy End aussucht. Alles Schnickschnack! Wirklich interaktiv geht es im schönen alten Weihnachtsmärchen zu. Mögen die Schauspieler meist auch die Kinder zu gewissen Reaktionen manipulieren („Kinder, soll ich dem Frosch denn helfen?“), so bleibt dies doch das unberechenbarste Publikum. Denn sechsjährige Erstbesucher wissen nun mal nicht, wie sie sich im Theater zu benehmen haben.
Wenn da ein kleiner Kräher es toll findet, auch mal laut „Quak“ zu schreien, genauso wie der Mann im grünen Turnanzug auf der Bühne, dann macht er das einfach. Gleich fällt eine Hand voll kleiner Frechdachse mit ein, und ein paar Textzeilen gehen im Publikumsgequake unter. Oder wenn im Schloss plötzlich wegen eines Stromausfalls das Licht ausgeht und sich der ganze Hofstaat vor Gespenstern fürchtet, dann macht zuerst ein Kind ganz gruselig „Hui, Hui“, und es folgt das große Erschrecken aus dem Parkett. Dieser Effekt schien nicht vom Regisseur intendiert. Wie bitte, es gibt im „Froschkönig“ keine Gespenster und keinen Stromausfall? Wer bitte erwartet denn Werktreue im Weihnachtsmärchen?
Die Autorin Christa Margret Reiken und das Waldau Theater haben den „Froschkönig“ diesmal (es ist garantiert nicht die erste Bearbeitung des Stücks für diese Bühne) allerdings besonders frei bearbeitet. Da gibt es eine böse Oberhexe Wuriwas und ihre Tochter, die wie ein danebengegangener Klon von Pippi Langstrumpf aussieht. Die beiden verzaubern den schönen Prinzen, der allerdings auch schon als Mensch wie ein Frosch auf der Bühne herumhüpft, in den Titelhelden. Dann gibt es noch des Prinzen tapferen Freund Heinrich, die nette Hofzofe Henriette (ob die wohl zusammenfinden?) und als komischen Höhepunkt den fiesen Prinzen Peter, der die Prinzessin auch heiraten will, und politisch höchst unkorrekt dargestellt wwird: nämlich zugleich rassistisch (als hochnäsiger Franzose à la Monty Python) und sexistisch (als Tunte à la deutscher Klamauk). Aber das stört die Kinder überhaupt nicht.
Abgesehen von einigen billigen Lachern für die Eltern, etwa wenn der Frosch sich vor französischen (schon wieder) Köchen fürchtet, ist das Stück für sie maßgeschneidert. Inzwischen gibt es beim Waldau Theater sogar unterschiedliche Weihnachtsmärchen für unterschiedliche Altersstufen. Der „Froschkönig“ ist für die ganz Kleinen (die beim Theaterdonner auch mal zu weinen anfangen), „Aladin und die Wunderlampe“ ist für die etwas älteren Kinder und hat am nächsten Montag Premiere. Dass dem erwachsenen Zuschauer (oder gar dem Kritiker) die Inszenierung recht simpel, die schauspielerischen Leistungen allzu dicke und die Dramaturgie doch sehr mechanisch vorkommen mag, ist völlig irrelevant, denn den Kindern hat es ausnehmend gut gefallen. Und für unsereins waren ihre Reaktionen eh interessanter als die Schauspieler, denn so unmittelbar, intensiv und dankbar wie im Kindermärchen reagiert wohl kein anderes Theaterpublikum. Vielleicht spüren dies die Schauspieler des
Waldau Theaters sogar bei den ersten Vorstellungen noch, aber ansonsten bedeutet die Vorweihnachtszeit für sie Frondienst: Jeweils für vier Vorstellungen am Tag müssen sie Frosch, Prinzessin, König oder tuntiger französischer Snob sein.
Wilfried Hippen
Die nächsten Vorstellungen: täglich vom 21. bis 25. November um 9.00, 11.30, 14.00 und 15.30 Uhr. Ausnahme ist der Sonntag, 24.11.: 10.00, 13.00, 15.30 und 18.00 Uhr
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