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PDS im Praktikum

Nach dem Debakel von Gera fängt Parteichefin Gabi Zimmer von vorn an. Dabei benimmt sie sich so, als könne die PDS jetzt alle Welträtsel lösen

aus Berlin JENS KÖNIG

Was macht man als eine 4-Prozent-Partei, die ihre Fraktion im Bundestag, ihre wichtigsten Köpfe und das Interesse der Öffentlichkeit verloren hat? Man geht frisch ans Werk. Den klitzekleinen Rest ignoriert man einfach, sonst könnte man ja gleich zu Hause im Bett liegen bleiben.

„Die PDS macht auf Bundesebene ab sofort wieder Politik“, verkündete Parteichefin Gabi Zimmer gestern froh und munter nach einer zweitägigen Klausurtagung ihres neuen Bundesvorstandes. Dann zählte sie fünf Politikfelder auf, auf denen sich ihre Partei in den kommenden Jahren profilieren wolle. Dabei guckte Zimmer so ergriffen, als wüsste die PDS jetzt mehr als Stephen Hawking und könne nicht nur den Urknall, sondern auch die schwarzen Löcher im All erklären. Aber das, was die Parteivorsitzende zu sagen hatte, war nicht mehr als die 46. Aufzählung aller guten Vorsätze der letzten Jahre. Also, hier noch mal zum Mitschreiben: Die PDS will die Arbeitslosigkeit bekämpfen, für soziale Gerechtigkeit sorgen, Ostdeutschland retten, Frieden auf der ganzen Welt durchsetzen und die Umverteilung von oben nach unten organisieren.

Nichts Neues also, außer dass der PDS mit dem Bundestag die politische Plattform fehlt, von der aus sie das Blaue vom Himmel versprechen kann. Konkrete Vorschläge zur Umsetzung eines dieser Ziele machte Zimmer nicht, es sei denn, man hält die Ankündigung eines Aktionstages zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer für eine ausgeklügelte politische Strategie. Vielleicht war es deswegen auch kein Zufall, dass die Parteivorsitzende bei jedem Politikfeld den aufschlussreichen Zusatz machte, die PDS plane dagegen „offensiven Widerstand“: Widerstand gegen das Hartz-Konzept, gegen die rot-grüne Gesundheitsreform, gegen Steuersenkungen, gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen den Irakkrieg. Das könnte in der Tat die Rolle sein, die die PDS in den nächsten vier Jahren zu spielen hat: „Widerstand“ zu rufen, ohne politischen Einfluss auf irgendeine Entscheidung in der Bundespolitik zu haben.

Gabi Zimmer scheint zu ahnen, was da auf sie zukommt. Deswegen konzentriert sie sich darauf, die PDS wenigstens mit einem neuen Parteiprogramm wieder ins Gespräch zu bringen. Im Herbst 2003 soll es verabschiedet werden und das Verständnis der Parteivorsitzenden von der PDS als einer sozialistischen Oppositionspartei deutlich werden lassen. Dafür machte sie den Reformern, die sie auf dem Parteitag in Gera vor vier Wochen noch vernichtend geschlagen hat, gestern sogar ein versöhnlich klingendes Angebot: Deren Mitarbeit am neuen Programm sei ausdrücklich gewünscht. Ob die prominenten Reformer wie Gregor Gysi, Dietmar Bartsch oder André Brie dieses Angebot annehmen, ist fraglich. Schließlich hat die Parteichefin auch sich selbst verteidigt. „Der Parteitag in Gera“, sagte sie, „war keine inhaltliche Richtungsentscheidung.“ Das werden Gysi, Bartsch und Brie naturgemäß anders sehen.

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