Zeitarbeitsfirmen zu Tarifen bereit

Die Zeitarbeitsbranche schlägt der Union ein Schnippchen: Sie einigt sich mit Wirtschaftsminister Clement auf Tarifverträge. Damit hat die CDU nicht gerechnet. Sie wollte den Firmen gefallen, indem sie den Verzicht auf Tarife für die Branche verlangte

von HEIDE OESTREICH

„Nicht jeder hat die Antwort bekommen, die er erwartete.“ Eine sehr treffende Zusammenfassung gab Rainer Wendt (SPD), Leiter des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, gestern nach der Anhörung zum Thema Hartz-Gesetz. Da begrüßte etwa die zweitgrößte Leiharbeitsfirma Deutschlands, Adecco, ausdrücklich, dass für Zeitarbeit endlich Tariflöhne gezahlt werden sollten. Kurz nach der Anhörung gab Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) dann bekannt, man habe sich mit Gewerkschaften und Zeitarbeitsverbänden geeinigt. Demnach sollen nach einer Übergangszeit von einem Jahr Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Firmen geführt werden.

Wie im Gesetzentwurf vorgesehen, soll es gleiche Bezahlung für Leiharbeiter und Stammpersonal geben. Es werde aber nur die „Grundlohnstruktur“ übernommen, betonte Werner Stolz von der Interessengemeinschaft Deutscher Zeitarbeitsfirmen. Die sonstigen Tarifbedingungen, wie etwa Weihnachtsgeld oder Urlaubsregelungen, gelten für die neuen Leiharbeiter nicht. Stolz sprach von einem „Durchbruch“.

Der Union war schon während der Anhörung ein wenig der Wind aus den Segeln genommen. Wenn die Zeitarbeitsverbände sich nicht gegen eine Tarifbindung sträuben, weil sie auch „gerne normale Arbeitgeber sein wollen“, wie ein Vertreter es ausdrückte, wird es Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz schwer haben, gegenüber Clement auf der Aufhebung der Tarifpflicht als Bedingung für die Zustimmung der Union zu beharren.

Im Gegensatz zu ihrem bisherigen öffentlichen Geschrei brachten die Zeitarbeitsfirmen diesmal handfeste Fakten ein, an denen sich in den Tarifverhandlungen arbeiten ließe, wie DGB-Chef Michael Sommer erfreut meinte. Etwa, dass ein schmerzlicher Abstand zwischen den regulären Tarifvereinbarungen und den besonderen Regeln für die Personal Service Agenturen (PSA) den PSAler besser „motiviere“, bei der Entleihfirma „kleben“ bleiben zu wollen, wie Dieter Paulmann von der „Initiative Zukunftsvertrag Zeitarbeit“ einwandte. Ebenso wie der Vertreter der Hartz-Kommission, Günther Schmidt vom Wissenschaftszentrum Berlin, forderten die Zeitarbeitsfirmen, dass ein niedrigerer Einstiegslohn länger als die vorgesehenen sechs Wochen gezahlt werden müsste. Sonst könnten viele der niedrig qualifizierten Jobs nicht mit PSAlern besetzt werden. Zu fragen bleibt allerdings, ob sich die Entleihfirmen nicht an höhere Löhne in diesem Segment gewöhnen, wenn das Billigangebot der herkömmlichen Leiharbeiter nicht mehr existiert.

Problematischer erschienen gestern andere Elemente der Hartz-Gesetze. So wagte nicht einmal Heinrich Alt von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vorherzusagen, ob das „Brückengeld“ für über 55-Jährige zu einer „Welle von Frühverrentungen“ führe, wie die Union befürchtet. „Eine gefahrengeneigte Veranstaltung“ sei das irgendwie schon, fand Alt. Der Handwerksverband sah keine saubere Abgrenzung zwischen subventionierten Ich-AG-Jobs und streng reglementierter Handwerksarbeit. „Der Bürger muss doch wissen, was er nicht darf!“, rief der Handwerksvertreter hilflos.

Angesichts solcher Einwände könnte Friedrich Merz’ Vorschlag, das Gesetzgebungsverfahren zu verlangsamen, an Attraktivität gewinnen. Zwei Probleme werden aber auch bei längerer Diskussion kaum auszuräumen sein. Das eine: Schon durch die Absenkung der Arbeitslosenhilfe, so haben die Rentenversicherer ausgerechnet, gehen der Rentenkasse 300.000 Euro verloren. Wenn nun noch verschärft Mini- und Billigjobs einen Teil der regulären Jobs verdrängen, wird das Rinnsal in Richtung Rente noch dünner. Denn, und das ist Problem Nummer zwei: die unglücklicherweise von Hartz in die Welt gesetzten zwei Millionen Arbeitsplätze, die auch die Rentenkassen wieder füllen hülfen, werden, darin war man sich einig, durch dieses Hartz-Gesetz auf keinen Fall erreicht.

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