: Cafée bald ohne Herz
Bauamt Mitte verweigert Obdachlosen-Café Genehmigung für Neubau. SPD und CDU wollen keine weitere Einrichtung auf dem Kiez
von GERNOT KNÖDLER
Dem Obdachlosen-“Cafée mit Herz“ auf dem Gelände des ehemaligen Hafenkrankenhauses droht das Ende, weil sein geplanter Neubau nicht genehmigt werden soll. Aus seinem jetzigen Domizil muss der Verein über kurz oder lang ausziehen. SPD und CDU in Mitte ist die Einrichtung ein Dorn im Auge: Sie finden, es gebe schon mehr als genug Hilfe für Obdachlose auf dem Kiez. Jede Anlaufstation wirke als Magnet und verhindere eine Verbesserung der sozialen Struktur St. Paulis. Die Unterstützer des „Cafée mit Herz“ dagegen vermuten, die Einrichtung solle geschlossen werden, weil sie sich politisch stark engagiert hat.
In der vergangenen Woche hatte das Bauamt Mitte dem Bauausschuss mitgeteilt, es empfehle den Vorbescheidsantrag für den Café-Neubau wegen einer geringen Überschreitung der Baugrenze abzulehnen. Die Ausschussmehrheit lehnte es daraufhin ab, sich mit dem Antrag zu befassen. „Das gleiche Bauamt signalisierte vor ein paar Monaten: Wir werden genehmigen“, ärgerte sich Gerda Kählert vom Vorstand des Vereins „Cafée mit Herz“. Hier werde versucht, auf formalem Weg etwas zu blockieren, was inhaltlich nicht gewünscht sei, sagte Reiner Schendel vom Sanierungsträger Stattbau, der sich um die Finanzierung des Projekts kümmert.
Jetzt droht dem Café die Zeit auszugehen. Bei einer formellen Verweigerung des Bau-Vorbescheids müsste der Verein klagen, sagte Schendel. Dabei bestehe die Gefahr, dass das Café aus seinen jetzigen Räumen ausziehen muss, bevor der kostspielige Prozess zu Ende wäre. Hans-Joachim Rösner, Geschäftsführer der Stadterneuerungsgesellschaft (Steg), zu deren Treuhandvermögen das ehemalige Hafenkrankenhaus gehört, dämpfte der taz hamburg gegenüber solche Befürchtungen. Dem Verein werde nicht von jetzt auf gleich gekündigt. Mittelfristig sollten jedoch andere Mieter in dessen Räume einziehen.
Vereinsvorstand Kählert interpretierte die drohende Verweigerung des Bau-Vorbescheides als „Antwort darauf, dass der Verein auch politisch aktiv ist“. Schließlich habe er im Sommer den Skandal der völlig überteuerten Obdachlosen-Unterkünfte bekannt gemacht. Stets weise er darauf hin, „dass man Wohnungslose nicht nur verwalten darf“. Den Ausschlag habe wohl gegeben, dass das Cafée mit Herz den ersten bundesweiten Bettlermarsch organisiert und sich dabei auch mit den vertriebenen Bewohnern des Bauwagenplatzes Bambule solidarisiert habe.
Auch Pastor Sieghard Wilm von der St. Pauli-Kirche sprachvon Schikane. „Das ist der Baustein einer Entwicklung, die wir mit Sorge betrachten“, sagte der Pastor. Reinhard Laskowski vom Trägerverein „Gesundheitszentrum St. Pauli“ nannte das Café ein „unverzichtbares Projekt“.
CDU und SPD in Mitte sehen das anders. „Ich bin der Ansicht, dass wir auf St. Pauli sozial eine ausgewogene Struktur erreichen müssen“, sagte CDU-Fraktionschef Jörg Hamann der taz. Er sehe keinen Grund, warum es Anlaufpunkte für Obdachlose nicht auch in Eppendorf oder den Elbvororten geben sollte. Jede Initiative zur Aufwertung des Stadtteils würde durch zu viele Obdachlosen-Einrichtungen konterkariert, kommentierte der Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Stölting. Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) schloss sich dem an: Für die Ablehnung des Bau-Vorbescheides gebe es baurechtliche und politische Gründe, räumte er ein.
Bis morgen muss das Cafée mit Herz der Steg einen Plan zur Finanzierung seines 500- bis 600.000 Euro teuren Neubaus vorlegen. Reiner Schendel zufolge ist diese gesichert. Die ehemalige Stadtentwicklungsbehörde stehe zu ihrer Zusage von 100.000 Euro. Weitere 100.000 Euro habe der Verein an Spenden zusammengetragen. Dazu kämen Spender, die zwar ihre Bereitschaft signalisiert hätten, sich aber ohne einen Zeitplan für den Bau des neuen Cafés nicht festlegen wollten. Für den Rest solle eine Kredit aufgenommen werden. Im Frühling hätte der Bau beginnen können.
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