: Außerordentliche Koalition
SPD bietet Lange einen Bündnispakt zur Kita-Politik an, für den der Senat seinen Gesetzentwurf zurückziehen soll. Die CDU hat ebenfalls „Beratungsbedarf“
In der Kita-Abteilung des Wandsbeker Jugendamtes stand das Telefon nicht still. „Alle wollen sich für die Kita-Gutscheine auf die Warteliste setzen“, berichtet eine Mitarbeiterin. Berichten zufolge soll es bereits „virtuelle Wartelisten“ geben. „Wir sagen immer, die gibt‘s erst ab April 2003“, beteuert das Jugendamt.
Wer bekommt künftig einen Platz? Die Verwirrung darüber ist groß. Anlaß für den SPD-Politiker Thomas Böwer dem Senator ein Angebot zu machen. Statt die Lage als Opposition auszukosten, bietet die SPD-Fraktion der Regierung einen „Pakt für Kinder“ an. „Das ganze Kita-Thema gehört noch mal auf den Prüfstand“, sagt Böwer, der in der heutigen Bürgerschaftssitzung Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) ein Angebot machen will. Grundvoraussetzung sei, dass dieser seinen „Kita-Gesetzentwurf nicht in den Senat einbringt“.
Im Gegenzug bietet der SPD-Politiker an, den eigenen Antrag zum Ausbau von 2900 Plätzen, für den es eine Finanzierung gebe, zurückzuziehen. Das von Lange geplante System „überfordert die Verwaltung und Eltern“, sagt Böwer: „Wir brauchen eine Reform, die kindgerecht, sozialgerecht, familiengerecht und machbar ist.“ Nötig sei dafür ein Ausbauprogramm bis 2007. Dem stünde das Interesse der Koalition nach Senkung der Elternbeiträge gegenüber.
Wenn man sich auf ein gemeinsames Modell einige, würde die SPD dieses nicht mehr zum Streitpunkt machen. In der Bildungsbehörde reagierte man gestern gelassen: „Wir haben seit heute die BIK-Studie vorliegen, die gibt uns Rückenwind für unser Vorhaben“, sagte Pressesprecher Hendrik Lange. Diese von der Firma BIK (Beratung, Information, Kommunikation) durchgeführte Elternbefragung aus dem Sommer 2002, die auch „Zahlungsbereitschaft“ abfragte, ergebe einen „deutlich geringeren Bedarf als die Iska-Studie“.
Letztere hatte im Herbst 2000 das Kita-Card-Projekt gestoppt, weil sie deutlich machte, dass 16.000 Plätze fehlen. Sollte nun die Nachfrage deutlich gesunken sein, brächte das neue System weniger Verlierer hervor. Doch ganz so sicher scheint sich die Behördenspitze nicht zu sein. Die Ankündigung, konkrete Zahlen zu nennen, wurde am Nachmittag zurückgezogen.
„Konstrutive Vorschläge von Herrn Böwer sind uns willkommen“, sagt FDP-Kita-Politiker Wieland Schinnenburg. „Bisher haben wir aber nur Gemecker gehört.“ So solle Böwer konkret benennen, woher er das Geld für einen Ausbau nehme. Die von Lange festgesetzten Kriterien benachteiligen die Kinder von Arbeitslosen und MigrantInnen. Diese Kriterien seien „noch veränderbar“, sagt Schinnenburg. „Aber wenn wir Migrantenkinder auf Kosten einer deutschen Mutter, die arbeiten will, bevorzugen, hätte ich Bedenken.“ KAIJA KUTTER
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