piwik no script img

Freie Fahrt für den Atomzug

An der deutsch-französischen Grenze sorgte die Bewegung kaum für Bewegung

WÖRTH taz ■ Wenige Castoren, viele Demonstranten – das ist die Vergangenheit. Viele Castoren, wenige Demonstranten – das ist die Gegenwart. Wenigstens im Südwesten. Am Bahnhof von Wörth jedenfalls wartete am Dienstagabend nur Gerd aus Karlsruhe auf den 650 Meter langen Zug mit den zwölf Castoren. Der 33-Jährige wollte eigentlich zu einer der beiden Mahnwachen an der Strecke direkt hinter der französischen Grenze. Doch seine Suche nach den rund dreißig Demonstranten, die sich zwischen Lauterburg in Frankreich und Maximiliansau zum friedlichen Protest eingefunden hatten, blieb erfolglos. An der Grenze waren sie nicht zu finden, in Hagenbach schon wieder weg. Und zu dem von Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS) zur Festung ausgebauten Bahnhof von Wörth, wo die Lokomotiven ausgetauscht wurden, zog es die Aktivisten der Anti-Atom-Initiativen erst gar nicht hin. „Da ist doch ohnehin nichts zu machen“, konstatierte Heidi Lindstedt, Koordinatorin der Initiativen.

BGS-Sprecher Markus Bruhn saß daher ganz entspannt in seinem Wohnmobil vor dem Bahnhof und lud sich wieder einmal die Homepage der Atomkraftgegner auf den Schirm seines Laptop. „Klasse Arbeit“, lobte er. Die ständige Aktualisierung der Site würde auch ihm die Arbeit erleichtern. Denn was die aktuelle Termin- und Einsatzplanung anginge, könnte man sich „voll auf die Bewegung verlassen“, sagte Bruhn. Kollegin Buchholz von der Pressestelle der Polizei kutschierte derweil Fernsehleute durch die Landschaft: zum „Protestlerfilmen“ (Bruhn).

Überhaupt keine Probleme mit dem Atomprotest hatte auch die französische Polizei. Ganze zwei Gendarmen schoben gelangweilt Wache an der Grenze bei Lauterburg. Weil überhaupt kein Demonstrant kam und der Atomzug gegen 16 Uhr rasch die Grenze überquerte, konnten sie bald wieder über den nahe gelegenen pfälzisch-elsässischen Grenzmarkt bummeln. Auch in Hessen hieß es dann: „Freie Fahrt!“ für den Castorzug. Lediglich in Dieburg hatten sich am späten Abend rund 50 Demonstranten zum friedlichen Protest versammelt. Nur während der kurzen Durchfahrt durch den baden-württembergischen Zipfel am Rhein musste der Castorzug zuvor anhalten. Zwei Atomkraftgegner hatten sich in Mannheim unter einer Schiene zusammengekettet. Sie wurden losgeschweißt und – vorübergehend – festgenommen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen