Siegende Holländer

Werder Bremen ist zu dumm für Europa. Nach der 1:2-Niederlage im Hinspiel verabschiedet sich Werder mit einem 3:3 gegen zehn aufopferungsvoll kämpfende Arnheimer aus dem UEFA-Pokal

Mehr Gehalt? Wohl kaum. Und dabei selbst schuld!

Holländer sind höfliche Menschen. Selbst wenn sie als besoffene Horde durch die Stadt ziehen. Vielleicht nehmen sie mal versehentlich einen Bierhumpen aus der Kneipe mit und lassen ihn auf der Straße fallen. Oder lehnen sich auf der Schlachte etwas zu gemütlich gegen ein Auto, das dann verkehrt herum zu liegen kommt. Aber wenn sie eine Fahrradklingel hören, springen sie erschrocken zur Seite und rufen: „Excuus!“

Am liebsten hätte er sich auch entschuldigt: Mike Snoei, Trainer von Vitesse Arnheim. Mit ernster Miene, ohne jeden Überschwang in der Stimme, und höflicherweise in charmantem Deutsch sagte er: „Wir hätten nie geglaubt, dass wir hier 3:3 spielen können.“ Und, mit einem mitfühlenden Blick auf Thomas Schaaf, der wie ein geprügelter Hund neben ihm saß, fügte er hinzu: „Wir hatten es sehr nötig, in die dritte Runde zu kommen.“ Ein Euphemismus: Vitesse Arnheim hätte ohne die Einnahmen aus den Fleischtöpfen der UEFA der Konkurs gedroht. Eben noch hatten sich die verschwitzten Leiber von Spielern, die um ihre Existenz gekämpft hatten, an seinen Revers gerieben. Nun betrachtete er das umgekehrte „Wunder von der Weser“ fast demütig. Selbst Schiedsrichter Leslie Irvine, der viel Härte durchgehen ließ, aber Aleksander Rankovic nach etwas über einer Stunde wegen eines unsportlichen Tritts ansatzlos vom Platz stellte, nannte er nur „unseren irischen Freund“. Da hatte es noch 2:1 für Werder gestanden und roch nach Verlängerung. Und selbst das hätte überhaupt nicht sein müssen. Planmäßig hatte Werder die Vitesse-Abwehrreihen nach nervösem Anfang schwindlig gespielt. Minütlich drosch ab der 20. Minute ein Werder-Stürmer knapp am Tor vorbei, allen voran der glänzende Markus Daun. Schließlich war es Manndecker Frank Baumann, der den Fuß in Ailtons Freistoß hielt und Werder in Führung brachte. Sein Pendant auf der linken Seite tat es ihm gleich: Als wären sie schon in der dritten Runde, ließen 4.000 Arnheim-Fans nach der Pause Jubelgesänge durch das halb leere Weserstadion hallen, trugen ihre Mannschaft förmlich vors Werder-Tor. Da entdeckte Mladen Krstajic das Prinzip Vorne-Verteidigung, marschierte allein aufs Vitesse-Tor zu und drosch den Ball aus 40 Metern unter die Latte. Die Routiniers aus der Abwehr hatten es wieder einmal gerichtet, und doch sollten gerade sie alles noch kaputtmachen. Nur eine Minute später zum Beispiel Werders Holländer Frank Verlaat, im Hinspiel noch Schütze in beide Tore und über die Jahre im Ausland offenbar aller guten Manieren verlustig gegangen: Den enteilten Matthew Amoah haute er im Strafraum einfach um. Elfmeter, 1:2. Oder Baumann: Sein Stockfehler vor dem Ausgleich war der Tiefpunkt einer Katastrophenleistung. Kaum ein Pass angekommen, kaum ein Zweikampf gewonnen. Die Anreise zum Länderspiel am Mittwoch kann er sich eigentlich sparen. Und da es dort wieder gegen Holländer geht, würde er das vielleicht auch gern. Auch Krstajic reißt mit dem Hintern wieder um, was er mit den Händen aufbaut: Das 3:3, ein vom just eingewechselten Emile Mbamba cool abgeschlossener Konter, geht klar auf seine Kappe. Da nützt auch nichts, dass Thomas Schaaf ein noch besseres Händchen hat: Gerade zehn Sekunden ist Angelos Charisteas auf dem Platz, als er nach einer Ecke wie eine dorische Säule in der Luft steht, seinen Gegenspieler um etwa einen Meter überragt und den Ball mit dem Kopf ins Netz derartig ins Netz wuchtet, dass man einfach nur noch in Deckung gehen möchte - das zwischenzeitliche 3:2, ein paar Minuten Hoffnung. „Das ist unsere eine Seite“, macht Thomas Schaaf eine Art Jekyll-und-Hyde-Syndrom in der Mannschaft aus. Die andere ist, dass im Vergleich mit der Werder-Abwehr ein Hühnerhaufen wie ein hoch organisiertes Gebilde wirkt. Werder kassiere so viele Tore, dass man das „vorn gar nicht wieder auffangen kann“, diagnostiziert Schaaf. „Wir waren heute einfach zu dumm.“ Die jungen Spieler im Kader, sonst gern als Erklärung für Werders Unbeständigkeit angeführt, kann er nicht gemeint haben, denn es waren die Erfahrenen, denen einfachste Fehler unterliefen. Und zum Teil gerade jene, die momentan um eine Vertragsverlängerung pokern. Sportdirektor Klaus Allofs kommt nun die undankbare Aufgabe zu, ihnen zu erklären, dass ohne Einnahmen aus dem UEFA-Cup kaum Spielraum für satte Gehaltsaufbesserungen da sein wird. Und dass sie daran selbst schuld sind. Jan Kahlcke

Foto: Indra Wegener

Schon am Sonntag, 17:30, kommt ein echter Aufbaugegner ins Weserstadion: der 1. FC Kaiserslautern