: Vogtländer Riesenimmobilien
Ständig stolpern Besucher im Vogtland über Burgen und Schlösser. Einst heiß umkämpft, liefern sich heute allenfalls Touristen Kissenschlachten in den Burghotels. Eine Rundreise zu den Gemäuern des Mittelalters bringt Gemetzel und Hochkultur näher
von MICHAEL RUDOLF
Die Vögte waren ab dem 12. Jahrhundert reichsunmittelbare Verwalter einer mäßig fruchtbaren, dafür landschaftlich reizvollen Riesenimmobilie zwischen Sachsen, Böhmen, Franken und Thüringen, um die ständig Krieg geführt wurde. Heute möchten die Touristen lieber Kissenschlachten in den vogtländischen Burghotels ausfechten und dazwischen zur Erholung die architektonischen Hinterlassenschaften der Vögte und ihrer Nachkommenschaft erkunden. Derer sind es so viele, dass einem schwindelig werden kann. Der Partikularismus hatte allerdings den Vorteil, dass die Herrscher auf zum Teil kleinstem Raume der Adelskultur in Kursachsen, Preußen oder Frankreich nacheiferten, was zu einer ungemeinen Dichte an Kulturstätten führte.
Osterburg
Eine Burgentour beginnen Vogtlandbesucher am besten in Weida. Die Osterburg war Hauptsitz der Vögte und Ausgangspunkt der deutschen Kolonisation. Ihr wuchtiger Bergfrit hat seine beiden unterschiedlich dicken Teile mit einem hohen Zinnenkranz aufgebessert. Darüber piekt ein als Achteck gemauerter Steinhelm in die Wolken. Der Hauptflügel wurde um 1600 errichtet. Erhalten hat sich auch die doppelte Ringmauer mit mehreren Wehrtürmen. Ein Teil der Burg wurde bis 1985 als Jugendherberge genutzt. 1986 begann eine Gesamtsanierung. 1992 wurden die Sanierungsarbeiten eingestellt, da erkennbar war, dass der erforderliche Standard zur Weiterführung einer Jugendherberge nicht erreicht werden würde. Noch wird ein Investor gesucht.
Schloss Burgk
Touristen lassen die Orangerie und die Schlösser Osterstein und Tinz in Gera sowie das Schloss in Bad Köstritz rechts liegen und eilen nach Burgk. 1403 rissen die Inhaber Schloss Burgk erst mal komplett ab und bauten es hernach wieder hin. Der Maler Paul Keil und der Schnitzer Hans Balbierer schufen 1620 bis 1624 das Interieur der Schlosskapelle mit der berühmten Silbermann-Orgel von 1743. Die verschwenderische barocke Serienausstattung mit vielen Extras hätte auch für die Schlösser Ebersdorf und Hirschberg und die Burgruine Lobenstein, die Schlösser Mühltroff und Leubnitz sowie die Rittergüter in Geilsdorf und Gutenfürst gereicht. Besichtigung beim nächsten Mal!
Ruine Wiedersberg
Es geht weiter nach Wiedersberg. Hoch über dem Ort ruht sich die gleichnamige Burgruine von ihrer achthundertjährigen Geschichte aus. Die Bergzunge wird durch zwei tief ausgehauene Halsgräben gegen Touristen aus Richtung Osten gesichert. An der Angriffsseite haben sich Fundamente zweier starker Türme erhalten, die durch eine hohe Schildmauer miteinander verbandelt waren. Nach Westen schützt eine bogenförmige Mauer. Allerdings öffnet sich im Süden ein Vordertürchen, von einem zweigeschossigen Torturm gesichert. Ihm wurde vor einiger Zeit ein viereckiges Pyramidenhütchen aufgesetzt. Wer jetzt einen Panoramablick ins Egerland für wichtig hält, schiebt einen Abstecher nach Schloss Schönberg direkt am Grenzübergang nach Tschechien ein.
Burg Voigtsberg
Nächste Station: Oelsnitz. Bei Burg Voigtsberg könnte es sich um eine Gründung der Straßberger Vögte handeln. Die Schlosskapelle St. Georg stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, der Neubau des Palas von 1493/94. 1505 wurde der gesamte Westflügel schön herausgeputzt. 1751 purzelte der Südturm ein, 1796 wurde der Torturm durch Luft ersetzt. 1788 musste der Bergfrit um sieben Meter, 1868/69 um weitere fünf Meter gekürzt werden. Nach 1860 erfolgte der Abbruch der inneren Schildmauer und des Torhauses. Man hat die Anlage dennoch nicht gänzlich verschandeln können. Auch die Rittergüter Dobeneck und Taltitz an der Talsperre Pirk nicht. Die heimliche Hauptstadt des Vogtlands, Plauen, verwahrt die Überreste des einst stattlichen Hradschin, und die Turmkapelle in Kauschwitz recycelt Teile einer mittelalterlichen Wasserburg.
Schloss Liebau
Die Schlösser in Auerbach (da steht der berühmt besungene Maschendrahtzaun!), Rodewisch und Treuen müssen Burgentouristen wieder rechts liegen lassen und strikt nach Liebau reisen. Die Ruine des Schlosses Liebau hat sich einen Bergsporn unweit der Talsperre Pöhl ausgesucht. Dort wuchs vorher eine winzige Turmhügelburg aus dem Schiefer. Zwischen 1500 und 1550 erfolgte eine umfangreiche Modernisierung. Ein Turm konnte 1644 wieder neu aufgestellt werden, achteckig mit quadratischem Unterbau, oben drauf ein Zwiebelhut. Trotzdem wollte ab 1742 niemand mehr darin wohnen. Aber von Liebau kann man prima auf einem Bein nach Elsterberg hüpfen. Um 1200 investierten die Herren von Lobdeburg dort in eine nach ihnen benannte Burg. Die Lobdeburg wurde innerhalb einer Elsterschleife errichtet und im Vogtländischen Krieg, 1354, niedergebrannt. Das Besatzungsteam enthauptete man auf dem Marktplatz im Schnellverfahren. Die mächtige Anlage bestand vielleicht aus einem runden Bergfrit, sicher aber aus einer Schlosskapelle, wuchtigen, ganz schön hohen Wohngebäuden, umgeben von einer doppelten Ringmauer mit fünf runden Mauertürmen und mehreren borstigen Bastionen. So gut wie alles erhalten geblieben für Burgentouristen.
Burg Mylau
Der Route nach Mylau stellen sich zum einen die Nanoresidenz Greiz mit dem Oberen und Unteren Schloss, dem Sommerpalais und der Burgruine Dölau, zum anderen das Schloss in Netzschkau in den Weg. Die um 1180 auf einen Felsen gestellte Burg Mylau ist 1212 unter den Schenkungen Kaiser Friedrichs II. an den böhmischen König Ottokar I. notiert. Ursprünglich bestand sie aus drei oder vier Türmen, die durch Wehrgänge miteinander kommunizierten. Ältestes Bauwerk ist der runde Bergfrit, sein ursprünglicher Zinnenkranz wurde 1772 überzwiebelt. Später kamen ein Torhaus, eine Burgkapelle, eine Gerichtshalle, eine Kemenate und ein Palast mit allen Schikanen hinzu. Fertig. Damit die anderen Burgen im Vogtland nicht neidisch werden, sind in den Jahren 1892 bis 1897 unvorteilhafte Umbauten in romantisierender Manier vorgenommen worden. Und seit vorigem Jahr schwelt im Ort der berüchtigte Sauerbratenstreit.
Burg Polsterstein
Wer da keine Position beziehen möchte, reist an Burg Altenschönfels und an Schloss Blankenhain vorbei nach Posterstein. Burg Posterstein ist eine Gründung der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Ihr runder Bergfrit schämt sich für seinen kleinen kegeligen Aufsatz. Um ihn und den Miniaturhof drängeln sich Gebäude verschiedenster Baustile, als fürchteten sie sich vor den Besuchern. Der Westbau mit seinem Treppenturm entschuldigt sich mit dem 16. Jahrhundert, der nordwestlich vorgelagerte Turm mit dem 14. und 15. Jahrhundert. Besonders schüchtern ist die Bausubstanz der Südostseite, obwohl da ein üppig gestalteter Erker auf doppelt hervortretenden, gerundeten Eckkonsolen ruht. Und von da geht’s retour nach Weida. Nicht ohne unterwegs Schloss Ronneburg und das zum Jagdschloss umgeschulte Kloster Mildenfurth für eine etwaige Schlössertour durchs Vogtland vorzumerken.
Tourismus- und Verkehrszentrale Vogtland, Friedrich-Ebert-Str. 21a, 08209 Auerbach/Vgtl., Tel: (0 37 44) 1 94 49, Internet: www.vogtlandtourist.de, E-Mail: info@vogtlandtourist.de
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