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„Bali? Jetzt erst recht!“

Die Touristen auf Bali bleiben aus. Fast überall. Doch in der Traveller- und Surferszene gibt es einige Unerschütterliche. Beobachtungen in Kuta

Über 79 Prozent der Balinesen leben direkt oder indirekt von Tourismus„Please come back to Bali, don’t let the Terrorists win!“, fordern Plakate

von TOMA DE BEAUFORT

„Von den Menschen hier haben noch nicht alle wirklich realisiert, was diese Tragödie bedeutet“, sagt Charles Brady und schaut auf die leeren Tische seines Restaurants in Kuta, Bali. Es ist Samstagabend. 23 Uhr. Die Straßen sind leer gefegt. „Es ist unheimlich“, bemerkt Werner, ein deutscher Tourist, „wenn du vor dem Attentat hier gewesen wärst, dann wüsstest du, wie es hier um diese Zeit normalerweise aussieht. Die Straßen waren gesteckt voll!“ Jetzt fahren kaum Autos, und auch die anliegenden Geschäfte, die ausschließlich von Touristen leben, sind geschlossen. „So ruhig wie im Moment war es in den letzten zehn Jahren nie“, meint auch Manfred Bermann, der ein beschauliches Exportgeschäft für Kunsthandwerk auf der Insel betreibt. „Die Strände und die Touristenattraktionen sind leer, die wenigen verbliebenen Ausländer rücken näher zusammen.“ Im September kamen noch über 150.000 Touristen nach Bali, nun ist es gerade noch ein Zehntel.

Das Hotel Dynastie/Kuta beispielsweise. Seine Belegungszahlen sind schlecht, sehr schlecht. Gerade 8 Prozent. Über 79 Prozent der Balinesen leben direkt oder indirekt von Tourismus, und viele arbeiten zum größten Teil auf Provisionsbasis. Nun gehen sie, wenn ihr Arbeitsplatz überhaupt noch existiert, mit gerade 25 Prozent ihres Lohnes nach Hause oder müssen unbezahlten Urlaub nehmen.

Die Bomben vom 12. Oktober haben Tod und Verwüstung angerichtet. Die Druckwelle der Explosion hat Schaufenster noch in 500 Meter Entfernung zerbersten lassen. Wie viele Opfer der Anschlag tatsächlich gefordert hat, wird niemals mit Bestimmtheit feststehen, denn einige der Straßenhändler und Prostituierten, die hier gerade samstagsabends vorbei gingen, werden wohl nie als vermisst gemeldet werden. Sie besaßen nicht einmal einen Personalausweis oder Führerschein. Nach offiziellen Angaben sind es über 180 Tote und 300 Verletzte.

„Schon eigenartig, dass es immer dann mächtig Ärger gibt, wenn in Amerika ein Republikaner am Ruder sitzt“, meint Naur, ein Taxifahrer, und fügt hinzu: „Nun hat er auch noch die Senatswahlen gewonnen, ob das auch ohne diesen Anschlag geschehen wäre?“

So unsinnig seine Ansicht auch sein mag, sie zeigt doch, dass hier auf Bali niemand der Einheimischen daran glaubt, dass die Attentäter von „innen“ kamen. Und die indonesische Regierung rüstet nun auf gegen al-Qaida & Co. Sie hat beschlossen, die Polizeikräfte auf der Insel von 6.000 auf 10.000 zu erhöhen und den Sicherheitsstatus heraufzusetzen. Was immer auch die Täter wollten, sie haben jedenfalls erreicht, dass die Situation der Bevölkerung auf Bali und in ganz Indonesien noch härter werden wird.

Bali ist die Insel der Götter und nicht zuletzt deswegen in den Augen der Einheimischen ihr kleines Paradies, welches in den letzten Jahrzehnten von allen Unruhen, die in Indonesien aufflammten, verschont blieb. Die Toleranz gegenüber dem Andersgläubigen ist eines der höchsten Prinzipien aller dortigen Glaubensgemeinschaften, und es ist auch innerhalb einer Familie nicht verpönt, dass über die Konfessionen hinweg geheiratet wird.

„Die Menschen beten seit der Tragödie sehr viel, und fast jeden Tag gibt es eine Zeremonie. Sie können einfach nicht begreifen, dass jemand den Konflikt in dieses Paradies getragen hat, und versuchen nun, die Insel davon reinzuwaschen“, meint der Hotelbesitzer David Wheel. Nun wird vorübergehend am Ort des Geschehens, dem „ground zero“, ein Tempel errichtet. Dort wurde letzten Samstag, einen Monat nach dem Attentat, eine große Zeremonie abgehalten, an der Vertreter aller Glaubensgemeinschaften teilnahmen.

Jeden Tag seit dem Anschlag werden von den Geschäften und den jeweiligen Ländervertretungen Blumenkränze am Tatort niedergelegt. Selbst die Bevölkerung trauert täglich um die Opfer der Tragödie. Kerzen und Räucherstäbchen werden angezündet, um die verstorbenen Seelen zu besänftigen. Transparente über die ganze Insel verstreut drücken das Mitgefühl der Bevölkerung mit den Opfern und deren Familien aus.

Und aus aller Welt gehen Sympathiebekundungen ein, mit dem Versprechen, Bali in dieser schweren Zeit nicht allein zu lassen. So haben etwa 300 Stammgäste aus Westaustralien zugesagt, ihren Urlaub auch dieses Jahr wieder hier zu verbringen, und ihre Freunde dazu aufgerufen, es ihnen gleichzutun.

„Bali? Jetzt erst recht“, sagt Robert, der vor einer Woche hier eingetroffen ist. „Ich habe keine Angst und werde es nicht zulassen, dass Terroristen es auf diese Weise schaffen, ihre Ziele zu erreichen.“ Der Tänzer aus St. Louis geht stolz im Kostüm, ein weites, grünes Seidencape um sich schwingend und mit Diadem auf der Stirn, den Strand entlang. „Auf dem Weg nach Sydney durfte ich noch irgendwo einen Zwischenstopp einlegen und ich habe mich für Bali entschieden, weil ich das Gefühl hatte, dass man hier etwas Aufmunterung und Solidarität gebrauchen kann!“ Diejenigen, die Bali kennen, lassen sich weder von Terroristen vertreiben, noch davon abhalten, wieder hierher zu kommen. Ein schwacher Trost für die arbeitslosen fliegenden Händler.

Der Krieg der Weltanschauungen hat diese kleine Insel erreicht und den Traum des kleinen, friedlichen Paradieses kurzfristig zerstört. Dessen Einwohner sind aber die Letzten, die etwas dafür können, dass manche islamischen Extremisten möglicherweise mit der Freizeitgestaltung vieler westlicher Gäste Schwierigkeiten haben. Viele Urlauber führen sich hier alles andere als zivilisiert auf. „Die Suffköppe und Hurenböcke, die nur hier waren, um ihren Alltag im Alkohol zu ertränken, die braucht hier keiner. Die sollen ihr Geld besser in einen Umschlag stecken und hierher schicken, die haben doch schon genug Unheil über dieses Kleinod gebracht!“, erregt sich Alex aus Berlin.

„Please come back to Bali, don’t let the Terrorists win!“, steht auf einem Aufkleber, den man an Schaufenstern und Kofferraumdeckeln finden kann. Die Menschen zeigen fast Bewunderung, wenn man als Ausländer, gar als Tourist hier ist. Und wer wirklich Interesse an Bali hat, der sollte diesem Aufruf folgen.

„Bali ist sicher – keine Frage!“, findet Alex aus Berlin und schaut sehnsüchtig in den Sonnenuntergang von Legian-Beach, wo sich viele der verbliebenen Touristen zum Sonnenuntergang treffen. Ungetrübte Heiterkeit, klares Wasser, Strand und Wellen, die jeden Tag aufs Neue zum Surfen einladen. Urlaubsparadies eben.

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