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Das Theater als Kinderspiel

Generationsübergreifende Lacher, „Der Diener und sein Prinz“ hatte Premiere: im „Zähneputzen-Zimmer“, im „Keinen Mucks-Zimmer“, im „Schmoll-Zimmer“

Haben Sie auch als kleines Kind auf dem Fussboden gespielt und dabei mit den Kanten und Mustern der Teppiche das Revier in verschiedende Räume oder Straßen eingeteilt? Egal ob noch als 70-Jähriger oder schon als 5-Jähriger: Das Prinzip versteht wohl jeder. Und deshalb funktioniert das Bühnenbild der neuen MOKS-Produktion „Der Diener und sein Prinz“ auch so gut.

Da braucht Erzählerin Christine Ochsenhofer nur zum Beginn der Vorstellung auf eine Krone aus Neon zu zeigen, die genau in diesem Moment grün zu leuchten beginnt, und das Publikum weiß: Der Fussboden mit den ausgerollten Teppichbahnen ist jetzt ein Schloss. Und die kleine Krone macht Konradin Kunze zum Prinzen, da bedarf es keiner typischen Märchen-Personal-Kostümierung.

Die Reduktion auf Zeichen wird konsequent durchgehalten: Kissen hier und Backstein da symbolisieren, wie Prinz und Diener (Alexander Hauer) sich betten. Ein paar Kasperlepuppen, mit denen herumgeworfen wird, stehen für das übrige, längst gefeuerte Personal des Schlosses. Die Pointen sind zugleich so eingängig und raffiniert, dass tatsächlich alle, ob Kinder oder Erwachsene, das Gleiche komisch finden. Da gibt es (anders als etwa in den gerade anlaufenden Weihnachtsmärchen des Waldau-Theaters) keine kindertümelnden Albernheiten und auch keine augenzwinkernden Gags für die Großen, die ja im Kinderstück auch bei Laune gehalten werden müssen.

Die vielen verschiedenen Zimmer des Schlosses haben jeweils eine Funktion: So gibt es ein „Gähn-Zimmer“, ein „Zähneputzen-Zimmer“, ein „Keinen Mucks-Zimmer“, ein „Fliegen-Fang-Zimmer“ und viele andere, die jeweils für einen schönen, herzhaften, generationsübergreifenden Lacher gut sind. Nachdem sich der Prinz eine „Dienermaschine“ (eine uralte rumpelnde Waschmaschine) angeschafft hat, gibt es Ãrger im Paradies und der wegrationalisierte Diener steht sauer im „Schmoll-Zimmer“.

Schließlich zieht er in die weite Welt hinaus, hat dort mit seiner eingeschränkten Welterfahrung (immer nur dienen und gepiesackt werden) gewisse Orientierungs-Schwierigkeiten, findet dann aber genau das passende Metier für sich: Er betreibt ein Café, wozu ein paar Servietten an Fäden zur Bühne herabgelassen werden. Dann, nachdem es der Prinz nicht mehr alleine mit der Maschine aushält, eröffnet der ehemalige Diener ein Hotel imTeppichstreifen-Schloss. Und wenn sie nicht gestorben sind, streiten sie immer noch glücklich im „Krisen-Zimmer“ darüber, wer nun der Chef und wer der Angestellte ist.

Die Erzählung von Thomas Winding hat Gertrud Pigor sehr klug, komisch und anrührend inszeniert. Alles ist wie aus einem Guss, und das wahre Kunststück dabei liegt darin, dass es von Kindern ab fünf verstanden werden kann, Erwachsene sich dennoch nie unterfordert fühlen müssen.

Ein paar Lieder von Michael Krummheuer geben der Geschichte den nötigen Schwung, und den drei Darstellern auf der Bühne gelingt die knifflige Aufgabe, die auf Typen reduzierten Figuren (Prinz und Diener haben nicht einmal Namen) sympathisch lebendig werden zu lassen. Auf welch einem hohen Niveau das gespielt wird, merkt man kaum – so leicht, ideenreich und übermütig wirkt die ganze Vorführung. Eben wie ein schön ausgedachtes Spiel zuhause auf dem Wohnzimmerteppich.

Wilfried Hippen

Die nächsten Termine (außerhalb der vormittäglichen Schulvorstellungen): 23. und 24. November sowie 6. und 8. Dezember, jeweils um 16 Uhr

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