Whirlpool oder Rahmspinat?

In Doris Dörries Roman „Das blaue Kleid“ blubbert das Leben still und leise vor sich hin

Babette ist Geschenkpapierdesignerin, Florian schwul und Modemacher. Sie werden Freunde, weil ihnen die jeweiligen Partner weggestorben sind und beide den Tod nicht begreifen. Babette erzählt Florian, wie sie den tödlich verunglückten Mann im Arm hielt und sich dabei wie in einem Musikvideo fühlte. Florian erzählt Babette, wie er sich auf den Boden warf, aber dabei nur an den Teppich denken konnte, der keine Tränen aufnahm, weil er imprägniert war. Die beiden ziehen zusammen.

Bis hierhin könnte Doris Dörries kleiner Roman „Das blaue Kleid“ noch als Studie eines Milieus durchgehen, das darunter leidet, nicht leiden zu können. Aber dann gehen die Lacher immer öfter oft auf Kosten der Figuren, die viel zu unscharf sind, als dass man sie ernsthaft sympathisch oder unsympathisch finden könnte, zu schwatzhaft, zu brav, aber – und hier passt dann nichts mehr zusammen – immer so spritzig witzig wie in einem Werbeclip.

Auf einmal blubbert das Leben wieder „wie ein Whirlpool“, Menschen tauen auf „wie ein Block Tiefkühlspinat“, und man weiß nicht so genau, ob Doris Dörrie nicht etwas anderes aus ihrer Vermutung machen müsste, dass nichts Unabgenutztes mehr sagbar ist. Alles plätschert lustig vor sich hin, nie wird es, Tod hin, Tod her, irgendwie bodenlos, und man muss prompt an diese Szene in ihrem letzten Film „Nackt“ denken, als eine zu einem sagt, er habe Speck auf der Seele – an diesen Moment, als das Gesagte plötzlich ein Stockwerk tiefer sackt und man fürchtet, nicht die Figur, sondern der ganze Film sei speckig.

Nicht, dass es einfach wäre, über den Tod zu schreiben, oder dass man sicher sagen könnte, wie es besser zu machen wäre, aber irgendwie fühlt man sich während der ganzen Lektüre von Doris Dörries neuem Roman wie bei einem Herbstspaziergang am Abend, wenn man durch hell erleuchtete, aber ziemlich beschlagene Fenster blickt und sich das Leben der anderen schön schemenhaft vorstellt. Dieser schale Nachgeschmack, wenn man sich mal wieder im Wartezimmer an der einfachen Welt der Brigitte berauscht hat!

Ist dieses Buch von Doris Dörrie deshalb so erfolgreich? Vielen fünfzigjährigen Frauen dürfte sie außerdem ein Vorbild sein, schließlich gibt es nur wenige Frauen in dieser Generation, die wirklich die Fäden in der Hand halten. Jeder weiß überdies, dass Doris Dörrie ihren Mann verloren hat – das wird einen ähnlichen Effekt haben wie „Mensch“ von Herbert Grönemeyer, dem Armen. Und schließlich ist dieses Buch auch gemütlich versöhnlich. Nur die Liebe zählt, und darum opfert Babette die Freundschaft zu Florian am Ende für einen Mann, mit dem sich nichts richtig anfühlt. Das ist beruhigend. Wie alles beruhigend ist, was einem die Dinge vom Leib hält. SUSANNE MESSMER

Doris Dörrie: „Das blaue Kleid“. Diogenes, Zürich 2002, 177 S., 13 €