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Grenzschützer auf dem Posten

Mit massiven Grenzkontrollen versucht Tschechien, die Einreise von Gegnern des Nato-Gipfels zu verhindern. Innenministerium fordert Bürger auf, Verdächtige zu melden

Zweifelhafte ausländische Individuen werden erst gar nicht ins Land gelassen

PRAG taz ■ „Auf Prag freue ich mich wirklich“, erklärte US-Präsident George W. Bush kurz vor seiner Abreise zum Nato-Gipfel, der heute beginnt. Ob sich Prag auch auf Bush freut, ist eher unwahrscheinlich. Schon während der Vorbereitungen führte das tschechische Innenministerium eine regelrechte Hysteriekampagne und forderte den braven Bürger in Flugblättern oder Zeitungsannoncen auf, zweifelhafte Individuen der Polizei zu melden. Eine Praxis, die schon von der Sprache an das kommunistische Regime erinnert, dessen Sturz vor 13 Jahren gedacht wird.

Die Angst der Tschechen gilt anarchistischen Demonstrationen genauso wie möglichen Terroranschlägen. Deshalb werden schon seit Tagen die Grenzübergänge verschärft überwacht, zweifelhafte ausländische Individuen erst gar nicht ins Land gelassen. Landesverbot haben zum Beispiel die Italo-Anarchisten von „Ya basta“, die während der Prosteste beim Prager IWF-Gipfels 2000 durch farbenfrohe Parolen und nicht durch Pflastersteinwerfen aufgefallen waren.

Die Strategie des Innenministers ist einfach: Das Häuflein der tschechischen Nato-Gegner ist so klein, dass es auf Verstärkung aus dem Ausland angewiesen ist, um die angekündigten Proteste wirksam zu machen. Am Tag vor Beginn des Gipfels haben es somit, dank des tschechischen Grenzschutzes, nur ein paar hundert Protestler aus dem Ausland nach Tschechien geschafft.

Gleichzeitig verlässt man sich auf die schützende Hand von Big Brother. Vor zwei Wochen hat das Prager Parlament zugestimmt, seinen Luftraum von amerikanischen F-16-Jagdflugzeugen schützen zu lassen und rund 250 US-Soldaten als Verstärkung der tschechischen Armee und Polizei ins Land gelassen.

Ansonsten gleicht die Situation in Prag der vor zwei Jahren, als Weltbank und IWF hier tagten und mit ihnen eine Schar von Globalisierungskritikern die Goldene Stadt überflutete: Schüler und Studenten haben frei, die meisten Geschäfte im Zentrum sind geschlossen oder sogar verbarrikadiert, und der Stadtteil Nusle, in dem sich der Tagungsort der Nato-Häupter befindet, ist hermetisch abgeriegelt.

Während die Herren der Allianz tagen, haben die Damen ihr eigenes Programm, so ein Besuch des Strahov-Klosters, in dem sich seltene Schriftstücke befinden, oder ein Mittagessen in der Sommerresidenz von Präsident Havel. Auch ausländischen Journalisten will das Organisationskomitee etwas anderes bieten als Verhandlungen oder Straßenschlachten. Heute findet ein Stadtrundgang statt, bei dem auch Viertel besucht werden, die den Fluten im Sommer zum Opfer gefallen sind. ULRIKE BRAUN

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