: Der Gram der gelben Malocher
Bremer Postler auf den Barrikaden: 420 Schalterjobs wurden in der Region den letzten Jahren abgebaut, Hunderte könnten folgen. Gewerkschaftler beklagen „Mobbing und Kopfprämien für abgebaute Mitarbeiter“, warnen vor „heißem Dezember“
„Die Post macht die Filialen platt, wir haben es so satt!“, „Der Druck steigt, die Motivation sinkt – uns stinkt‘s!“ oder „Hochgelobt, hochmotiviert, abserviert“ – Plakatparolen, mit denen gestern gut 500 Postler der Niederlassung Bremen ihrer Wut über den gelben Konzern Luft machten. Mit Trillerpfeifen und Hupen ließen sie am Hillmannplatz 420 gelbe Luftballons in die Luft gehen – als „Symbol“ für die Zahl der Beschäftigten, die sich seit 1999 in den Filialen der Niederlassung Bremen (nördliches Niedersachsen) „in Luft aufgelöst“ haben. Gleichzeitig sank die Zahl der Filialen von 280 auf 173.
Die Post fahre satte Gewinne ein – und terrorisiere ihre Beschäftigten dennoch mit Jobabbau und üblen Methoden, ärgerten sich Gewerkschafter. Mit „Mobbing und Kopfprämien für die Zahl der abgebauten Mitarbeiter“ verunsichere die Post ihre Leute, sagte Rolf Bauermeister von der Dienstleistungsgesellschaft Verdi. „Wir dachten, die Zeit der Skalpjäger sei vorbei.“ Auch die Kunden würden leiden. Bauermeister: „Die Schlangen vor den Schaltern werden immer länger“.
Gleichzeitig kursierten Horrorzahlen über neue Kürzungen. Die Beschäftigten müssten wissen, wie es weitergehe, sagte Bauermeister. „Jetzt ist Schluss mit Vertrösten – das wird ein heißer Dezember“, meinte Verdi-Kollege Reiner Meissner. Und riet, bald mit dem Verschicken von Weihnachtsgrüßen zu beginnen: eine Streikdrohung – ohnehin blieben gestern viele Filialen ganztägig geschlossen.
Konkret sind laut Verdi-Angaben in der Region Bremen derzeit weitere 70 Jobs in Gefahr – sie stehen wegen der Zusammenlegung des Bremer Bereichs mit Hannover auf der Kippe. Bundesweit ist derzeit außerdem die Schließung von 1.000 Filialen im Gespräch. Damit will Post-Chef Klaus Zumwinkel auf von der Regulierungsbehörde verfügte Portosenkungen reagieren. Und auf eine Strafe in Höhe von 900 Millionen Euro, die die Post wegen unerlaubter Beihilfen zahlen muss. In der Region würde die Kürzung noch einmal rund 250 Schalterjobs und 100 Filialen weniger bedeuten.
Auf der Betriebsversammlung wenige Meter entfernt im Marriot Hotel kochten die Emotionen. „So geht man nicht mit Menschen um“, sagte Betriebsratschef Dieter Burdorf. Einstellungsstopp, 30.000 Überstunden, totale Unterbesetzung, keine neuen Auszubildenden – „das müsste man eigentlich dem Bundeskanzler schreiben“.
„Was hilft das beste Lächeln, die beste Dienstleistung, wenn das Umfeld nicht mehr stimmt?“, fragte ein Postler verzweifelt. Und: „Es macht mir keinen Spaß mehr.“
„Ich möchte Sie bitten, Führungskraft nicht mit ’sagt nicht die Wahrheit’ gleichzusetzen“, betonte die Niederlassungsleiterin Karin Düvel. Der Protest ließe sie „nicht kalt“, aber sie könne nichts über die Kürzungen sagen: „Die Verhandlungen werden erst noch geführt.“ Und: „Wir haben eine Zukunft, ich kann Ihnen bloß nicht sagen, welche.“ Vorher hatten Geschäftskundenberater Düvel eine Resolution überreicht, in der sie beklagten, dass der Bereich abgewickelt und die hochqualifizierten 50 Postler in Bereiche wie die Zustellung abgeschoben würden. Auch die Ex-Berater hatten das passende Plakat dabei: „Verarscht, betrogen, gedemütigt, kaltgestellt.“
Kai Schöneberg
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