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Zeitbombe auf dem Meeresgrund

65.000 Tonnen Öl lagern an Bord des gesunkenen Tankers „Prestige“, das laut Experten in die Nahrungskette gelangen könnte. Derweil treibt ein riesiger Ölfleck auf die galicische und portugiesische Küste zu. Behörden hoffen auf Wetterwechsel

aus Madrid REINER WANDLER

An der galicischen Küste macht sich nach dem Untergang des Trankes „Prestige“ Panik breit. An den bisher noch nicht verseuchten Uferabschnitten sammeln die Fischer in aller Eile Muscheln und Krustentiere. Sie wollen verhindern, dass sie Opfer der jetzt drohenden noch größeren Ölpest werden. Denn die mehr als 6.000 Tonnen Schweröl, die beim Auseinanderbrechen des griechischen Schiffes frei geworden sind, werden vom Wind auf die Küste zugetrieben.

Der Ölfleck hat eine Ausdehnung von 248 Kilometer Länge und 28 Kilometer Breite. Er befindet sich 130 Kilometer vor der galicischen und portugiesischen Küste. Das Öl bedroht die Rías Baixas, lange, fjordartige Flussunterläufe, die reich an Meeresfrüchten sind. Die Behörden im nordwest-spanischen Galicien und im Norden Portugals hoffen noch auf einen Wetterwechsel. Dies könnte dazu führen, dass das Öl aufs offene Meer getrieben wird. Dreht der Wind nicht, schwappt der Ölteppich spätestens in einer Woche an Land.

Frankreich, Holland und Deutschland haben Spezialschiffe angeboten, die versuchen sollen, auf hoher See einen Teil des Öls von der Wasserfläche abzupumpen. 200 Kilometer Küste sind bereits jetzt verseucht. Sie fielen dem Öl zum Opfer, das letzte Woche auslief, als die „Prestige“ leckschlug. „Der Untergang war das kleinere Übel“, erklärt Antonio Cortes, Spezialist für Petrochemie im staatlichen Wissenschaftsrat, dennoch. Die Wrackteile liegen in 4.000 Meter Tiefe. Die Wassertemperatur von 2,5 Grad und der hohe Druck führten dazu, dass das Öl sich verfestigt und nicht ausläuft.

An Bord der „Prestige“ befinden sich noch immer über 65.000 Tonnen Öl. Umweltschutzverbände und ausländische Wissenschaftler bezweifeln, dass das Problem so einfach behoben ist. „Wir haben nun eine Zeitbombe auf dem Meeresgrund“, erklärt die Leiterin des Meeresschutzprogramms von Greenpeace Spanien, María José Caballero. Selbst dort gelangt das hochgiftige, stark schwefelhaltige Öl in die Nahrungskette.

Mittlerweile wurde Kritik an der Entscheidung der spanischen Behörden laut, das Schiff aufs offene Meer zu ziehen, anstatt es in Küstennähe abzupumpen. Dadurch habe sich das auslaufende Öl so weit verbreiten können. Die spanische Zentralregierung und die Regionalregierung Galiciens haben „Hilfe ohne Einschränkungen“ für die betroffenen 5.000 Fischerfamilien angekündigt und wollen die Verantwortlichen für das Unglück zur Rechenschaft ziehen.

Das wird nicht einfach. Denn hinter der „Prestige“ steht ein breites Firmengeflecht. Der 26 Jahre alte Tanker fuhr unter der Flagge der Bahamas. Der Besitzer ist ein Unternehmen aus Liberia, das einer griechischen Reederei gehört. Auftraggeber war die russische Gruppe Alfa, an der britisches und Schweizer Kapital beteiligt ist. Zielhafen des russischen Öls, das für EU-Normen viel zu schwefelhaltig ist, war Gibraltar. Das belegen Dokumente, die den spanischen Behörden vorliegen sollen. In der britischen Kronkolonie wird immer wieder Öl steuer- und zollfrei umgeschlagen. Das Ziel: Dritt-Welt-Länder, in denen keine Grenzwerte für Schwefel im Diesel bestehen. Am Dienstag gelangte dabei erneut Öl ins Mittelmeer. Der 1.400 Quadratmeter große Ölfleck verseuchte einen Strand in La Linea, dem spanischen Grenzort zu Gibraltar.

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