: Schuldenetats eingetütet – vorläufig
Das Bundeskabinett beschließt seinen Entwurf der Etatgesetze 2002 und 2003. Die Grünen wollen im Parlament Änderungen erreichen. Der Bundesrat droht mit Ablehnung, die Opposition mit einem Untersuchungsausschuss zu „Wahllügen“
von HANNES KOCH und ULRIKE HERRMANN
Wie praktisch, dass es in Berlin so viele preußische Aufmarschstraßen gibt. Selbst wenn hunderte Lastwagen demonstrieren (siehe Foto), können die geplagten Minister problemlos passieren, um im Bundeskabinett ihrem Job nachzugehen: den Nachtragshaushalt 2002 sowie den regulären für 2003 beschließen.
Zumindest der Regierungsentwurf ist nun offiziell: Durch den Nachtragshaushalt wird die Staatsverschuldung 2002 auf 34,6 Milliarden Euro klettern – das sind 13,5 Milliarden mehr als geplant. Dennoch hielt Finanzminister Hans Eichel (SPD) auch gestern daran fest, dass er im Jahre 2006 ohne Neuverschuldung auskommen werde.
Im Jahr 2003 werden Bürger und Unternehmen mit zusätzlich 3,6 Milliarden Euro belastet; zwei der großen Brocken sind die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Aktien und Immobilien sowie die gekürzte Eigenheimzulage. Gleichzeitig werden 7,7 Milliarden durch „massive Kürzungen im Bereich des Sozialen“ gespart. So ist 2003 kein Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit eingeplant, die gekürzte Arbeitslosenhilfe soll 2,9 Milliarden Euro erbringen.
Allerdings fehlen trotzdem 200 Millionen Euro im Bundeshaushalt 2003. Diese Summe sollen die Beamten aufbringen, die ihr Weihnachtsgeld und andere Zulagen verlieren dürften. Da ein solches Opfer auch die Landesbeamten erbringen sollen, und dies sind 90 Prozent der Staatsdiener, würden insgesamt zwei Milliarden gespart. Mit gutem Beispiel ging das Bundeskabinett voran: Es verordnete sich gestern für das nächste Jahr eine Nullrunde.
Dieser Regierungsentwurf dürfte im parlamentarischen Verfahren, das Anfang Dezember mit der ersten Lesung im Bundestag beginnt, allerdings noch geändert werden. So haben die Grünen bei der Besteuerung von Aktiengewinnen bereits Klärungsbedarf angemeldet. Ihre Finanzexpertin Christine Scheel bezweifelt, dass Anleger, die schon vor Jahrzehnten Aktiendepots für die Altersvorsorge angelegt haben, tatsächlich eine rückwirkende Pauschalsteuer von 1,5 Prozent zahlen sollen. Selbst dieser minimale Betrag schädige die angestrebte kapitalgestützte Eigenvorsorge. Zudem enthält der Haushalt 2003 den schönen Begriff der „globalen Minderausgabe“, der nichts anderes als eine Deckungslücke von bis zu zwei Milliarden Euro umschreibt. Bisher weiß niemand genau, woher das Geld kommen soll.
Doch auch die rot-grünen Beschlüsse im Bundestag sind nicht endgültig. Viele werden die Entscheidungsfindung im Bundesrat nicht überleben. Denn dort hat die Opposition die Mehrheit, die auch weiterhin daran festhält, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um die „Wahllügen“ der Regierung zu untersuchen. „Verleumderische Absichten“ konnte Hans Eichel da gestern nur vermuten. Es gäbe keine „Geheimzahlen“, die die Regierung vor der Bundestagswahl zurückgehalten hätte – und er empfahl der Union, die Monatsberichte seines Ministeriums zu lesen. „Oder im Internet.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen