: Zerfetzte Perlen
Die Düster-Combo Deine Lakaien ging im Oldenburger Ziegelhoch den ganzen Weg von der Sub- zur Hochkultur
Schmucke Säle kennt Deine Lakaien-Songschreiber Ernst Horn zur Genüge. Schließlich war er mal Opernkapellmeister in Karlsruhe. Das Ambiente im ehemaligen Kinosaal des Oldenburger Ziegelhofs dürfte ihm also gefallen. Mit seiner geschwungenen Empore und der unaufdringlichen Zierleiste um das Deckenrund passt die Örtlichkeit zur Musik des Düster-Duos: Modern und romantisch zugleich.
Dass Horn und sein charismatischer Gegenpart, Sänger Alexander Veljanov, keine typische Szene-Band sind, zeigt der Blick ins Publikum: Kajal und weiße Schminke sind größtenteils im Kosmetikkoffer geblieben. God‘s Bow eröffnen den Abend und erfüllen dabei lediglich die Klischees ihres Genres: ätherischer Frauengesang und schwebende Synthiesounds – monoton und bei aller vordergründigen Emotionalität wenig ergreifend. So schlägt der höfliche Beifall erst in brausenden Applaus um, als Veljanov die Bühne betritt und die Lakaien mit „Colour-Ize“ einsteigen.
Alte Hits wie „Dark Star“ oder „Reincarnation“ präsentieren Deine Lakaien in komplett überarbeiteten Arrangements und mischen sie mit neuem Material wie der aktuellen Single „Where you are“. Ernst Horn wechselt zwischen seinen munter pluckernden und knarzenden, knopf- und reglerreichen elektronischen Spielzeugen und einem klassischen Klavier. Das allerdings wird ganz und gar nicht immer klassisch bedient. Eben noch lässt der studierte Musiker romantische Arpeggios perlen, dann fetzt er plötzlich mit der rechten Hand über die freigelegten Saiten des Pianos und lotst die vierköpfige Begleitband in eine furiose Version von „Mirrormen“ hinein, die den Rahmen des Pop sprengt und den Horizont zur Neuen Musik öffnet.
Uptempo-Nummern wie „Cupids Disease“ wagen mit kratzig angezerrtem Cello (B. Deutung von den verblichenen Inchtabokatables) und Gitarre die Rock- Pose, dazwischen bleibt viel Raum für Balladeskes, für Veljanovs volle, warme Stimme. Sub- oder Hochkultur? „Deine Lakaien“ haben die Grenzen an diesem Abend einmal mehr überschritten. Christoph Kutzer
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