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SchulTheater in Not

Bei freien Jugend-Theatergruppen gibt es Geld und Zeit. Schul-Theater hat von beidem wenig und dazu noch ein Motivations-Handikap: Zensuren

Eine große Bühne, ein großer Saal mit roten Sesseln, prall gefüllt mit einem applaudierendem Publikum – dies waren meine Vorstellungen von Theater, als ich den Kurs „Darstellendes Spiel“ in meiner Schule Hamburger Straße wählte. Als ich den spärlich dekorierten Raum, wenig motivierte Mitschüler und einen nicht weniger lustlosen Lehrer vorfand, war es um meine Assoziation geschehen.

Der Lehrer beauftragte uns nun, durch die Klasse zu rennen und kriegen zu spielen. Als ich ihn fragte, was dies nun genau mit Theater zu tun hätte, vertröstete er mich damit, daß all dies eine Vorbereitung für das Theaterstück Ende des Halbjahres sei. Dieses Stück sollte jedoch nie zustande kommen.

„Da ich zwischen den drei Fächern Musik, Kunst und Darstellendes Spiel wählen mußte, dachte mir, ich kann weder zeichnen noch singen, aber Texte auswendig lernen werde ich schon hinkriegen“, so begründete zum Beispiel eine Schülerin ihre Teilnahme an der Theatergruppe. Andere waren enttäuscht über den unproduktiven Unterricht.

Vier Wochen später las ich in der Zeitung über die Gründung einer Jugendtheatergruppe im Bremer Schlachthof. Bei unserem ersten Treffen phantasierten wir bereits über mögliche Themen unseres kommenden Stückes, und da wir aus einer reinen Mädchengruppe bestanden, waren die Themen ziemlich männervernichtend. Bei den folgenden Treffen forderten uns die Leiterinnen Andrea Werner und Nada Louis Harvey auf, durch verschiedene Improvisationen zum Beispiel eine Alltagssituation darzustellen, was uns auf amüsante Art näher brachte. Eine andere Übung war mit verbundenen Augen „den Raum wahrzunehmen“, das heißt sich vorsichtig durch den Raum tastend, die Bodenbeschaffenheit zu spüren.

Durch solche Übungen und regelmäßige Treffen, die nicht von einem Stundenplan zeitlich begrenzt waren, entwickelte sich eine Gruppendynamik und immer ausgelassenere Tobereien, bei denen wir uns von dem im Alltag stets geforderten höflichen, kontrollierten und gesitteten Benehmen verabschieden durften. All diese sprachlichen und motorischen Übungen waren Grundlage und absolut notwendig für das sichere Auftreten und feste Sprechen während unserer späteren Theaterstücke.

Meine Schul-Theatergruppe konnte solche Grundlagen aus Zeitgründen nicht entwickeln. Auch der Übergang vom geforderten Stillsitzen im Unterricht zum plötzlich gewünschten Bewegungsvermögen war oft nicht ganz einfach, vor allem nicht mit dem „Notenhammer“ im Nacken.

Als ich in einen anderen Theaterkurs in der Schule wechselte, machte ich positivere Erfahrungen mit Schul-Theater. Der Lehrer Peter Badel war engagiert und mit Hilfe einer Tanzlehrerin studierten wir Bewegungen ein. Da die drei Wochenstunden, die uns zur Verfügung standen, nicht ausreichten, trafen wir uns auch am Nachmittag und am Ende des Halbjahres hatten wir das Stück „Die Ermordung des Jean Paul Marat...“ von Peter Weiss entwickelt. Vor allem unser politisch engagierter Hauptdarsteller konnte sich gut mit dem Revolutionär Jean Paul Marat identifizieren.

Als ich mit der Theatergruppe „Dritte Ebene“ am Schlachthof ein Theaterstück entwickelt hatte, bekamen wir von den Behörden Geld für Requisiten, Schminke, Kostüme und Werbung, um unser Stück auch visuell ansprechend zu gestalten. Das Schul-Theater jedoch bekam keinerlei finanzielle Unterstützung. Wir als Klasse wurden schließlich vor eine Gewissensentscheidung gestellt: Sollen wir uns von Atomstrom-Konzernen sponsern lassen, indem wir mit ihrem Logo auf unseren Programmheften werben – oder auf das Geld verzichten? Wir entschieden uns zum Verzicht und suchten in Omas Fundus nach geeigneten Kostümen.

Am Ende waren wir sehr zufrieden, trotz Geldmangels und knapper Zeit noch ein Stück aufführen und den schlechten Ruf des Schul-Theaters ein wenig aufpolieren zu können.

Jasmin Bölling

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