: Manchmal ist die Anmache schon alles
Kinotrailer als kleine Filme gesehen: Der Filmwissenschaftler Vincent Hediger stellt heute im Abaton die Geschichte des effektivsten Werbemittels für Filme vor. Und Wüste Film stellt sich dem Gespräch über den „Solino“-Trailer
Wie oft hat man das schon erlebt: Man geht in einen Film, von dem man diesen tollen Trailer gesehen hat, und ärgert sich schon nach wenigen Minuten, weil das tatsächliche Kinoerlebnis so unendlich weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Am eklatantesten war dies wohl bei Scary Movie, bei dem die wenigen wirklich guten Gags schon fast alle im Trailer enthalten waren.
Unter Produzenten gilt allerdings schon immer die Kardinalregel, dass der Trailer besser sein muss als der Film. Woraus man natürlich nicht schlussfolgern sollte, dass Trailer die besseren Filme sind. Indem sie für ein bestimmtes Prokukt werben, sind sie den Werbespots verwandt, jedoch mit dem entscheidenden Unterschied, dass im Kino-Trailer Teile der Ware Film für sich selbst sprechen.
Mit welcher Kunstfertigkeit der Trailer über die Jahrzehnte zu sprechen gelernt hat, das hat bisher niemand so detalliert untersucht, wie der Schweizer Vinzenz Hediger, der heute im Abaton zu Gast sein wird. Verführung zum Film heißt sein Buch, in dem er die Entwicklung des amerikanischen Kinotrailers seit 1912 beschreibt. Weil sie selbst kleine Filme sind, war die filmwissenschaftliche Analyse ihrer Rhetorik längst überfällig.
Interessant ist, wie sich die formale Struktur von Trailern über die Jahrzehnte verändert hat, und zwar von einer urspünglichen Geste des „Showing a few scenes“ hin zum Anreißen des Plots. Hediger: „Der klassische Modus führt einen Diskurs ‚über‘ den Film und zeigt Ausschnitte zum Zweck der Ankündigung; er verfolgt also eine Informations-Strategie des ‚showing as announcing‘. Der weite Modus hingegen ‚simuliert‘ den Film; er benutzt dazu ein hochkomprimiertes Story-Resümee und verwendet eine Informations-Strategie des ‚storytelling as selling‘.“
Unter den über 2000 Trailern, die Hediger untersucht hat, gibt es auch Sonderformen, so etwa wenn Hitchcock für Psycho den Zuschauer durch die Räume von Bates Motel führt. In den letzten Jahren kommen zudem immer mehr Trailer in der Form eines kurzen „Making-of“ daher. Neben amerikanischen Trailern von Casablanca bis Braveheart, die dem Buch verdienstvollerweise als CD beigelegt sind, wird Hediger heute auch deutsche Trailer unter die Lupe nehmen, unter anderem den zu Fatih Akins Solino. Eckhard Haschen
Kinotrailer im Gespräch mit V. Hediger und den Produzenten von Wüste Film (Solino): heute, 18 Uhr, AbatonVinzenz Hediger: Verführung zum Film. Der amerikanische Kinotrailer seit 1912, Schüren, 304 S., mit CD, 24,54 Euro
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