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Fruchtfliege sucht Sinn des Lebens

Trotz der Krise in der Buchbranche gibt es noch immer Menschen, die Spaß am Bücherverlegen haben. Einer davon ist Joachim Jaeger, der demnächst in seinem Kopfjaeger Verlag den weltweit ersten Berliner Architekturcomic herausbringt. Ein Porträt

von CARSTEN WÜRMANN

„Krise“, ruft die Buchbranche: die Titelproduktion stagniert, Buchhandlungen schließen, Umsätze sinken. Die Verlage lamentieren, die Existenzsicherung erfordere die kühle betriebswirtschaftliche Kalkulation, Verlegertum aus Berufung und als kulturelle Aufgabe sei unter diesen Umständen anachronistisch. Jammerlappen. Ein Beispiel sollten sie sich nehmen an den vielen Klein- und Kleinstverlegerinnen und -verlegern, die Bücher ihres Herzens verlegen und nicht gleich auf Umsatz und Gewinne schielen. Ihr Programm umfasst häufig nur wenige Titel, diese aber erfahren ihr ungeteiltes idealistisches Engagement. 200 bis 300 gibt es nach Schätzungen des Verlegerverbandes in Berlin.

Einer von ihnen ist Joachim Jaeger, Gründer und Inhaber des Kopfjaeger Verlages, desgleichen Vertriebsleiter, Lektor und Finanzchef: „Einer der großen Vorteile eines Einmann-Betriebs sind die kurzen Wege.“ Natürlich ist Jaeger auch sein eigener PR-Chef: Ein Gespräch über den Verlag? „Sehr gern, aber erwarten Sie nichts Bombastisches, denn er ist so klein, dass er samt Laptop in meine Aktentasche passt.“ Der heimische Schreibtisch ist Verlagsstandort und das Ambiente eines Kaffeehauses gibt den Rahmen für Kunden- und Pressekontakte, standesgemäß das im Literaturhaus in der Fasanenstraße. Doch wie erkennt man ihn dort, den Kleinstverleger? „Ich trage mein braunes Verlegersakko und eine goldgerahmte Brille, Sie werden mich schon finden.“

In der Tat: Verleger Jaeger ist ein freundlicher, graumelierter Mittfünfziger. 1947 in Fulda geboren, gelangte er über Gießen und Paris nach Berlin. Hier studierte er Publizistik, Germanistik und Kunstgeschichte, hielt sich aber in den folgenden Jahrzehnten vom Büchermachen fern und arbeitete als Journalist und Regieassistent. Seit 1987 ist er freier Synchronautor für Dialogbücher. „Davon lässt sich gut leben.“ Was soll also noch der späte Einstieg ins Verlagsgeschäft? Der brennende Wunsch, den eigenen Namen auf einem Buchrücken zu sehen, war es jedenfalls nicht. Diese Eitelkeit hat er bereits 1984 mit der Veröffentlichung einer Studie zu Humor und Satire in der DDR befriedigt. „Es war eher eine grundsätzliche Neugier. Alles lief ganz gut, da hatte ich Lust auf etwas Neues.“

Auslöser war 1999 das Comicmanuskript seines Großcousins Helge Jäger: „Drosophila melanogaster“. Zwei Fruchtfliegen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens im Berlin der Neunzigerjahre, zwischen Baustellen, U-Bahn und Underground. Ein bunter, zitatenreicher Reigen, in dem ständig Schwaben erschossen werden.

Das sei doch gut, das müsse man veröffentlichen, meinte Jaeger und suchte einen Verleger. Vergeblich. Jaeger glaubte an Jäger, gründete einen Verlag und ließ das Buch auf eigene Kosten drucken: Hardcover, handgelettert und in Farbe: ein veritables Comicalbum. Der Euphorie angesichts des fertigen Produkts, das man über so viele Etappen federführend verfertigt hatte, folgte rasch die Ernüchterung: „Das allgemeine Desinteresse hat mich schon überrascht.“ Auch im Nischenmarkt Comic haben es Newcomer schwer. „Es gab kaum Bestellungen, 10 Besprechungen hier und dort.“

Enttäuschend, aber die Begeisterung darüber, was sich mit eigenen Mitteln bewerkstelligen lässt, und der Spaß am Verlegen überwog. Jaeger machte weiter, wenn auch mit reduziertem finanziellen Einsatz: Die zweite Veröffentlichung, pünktlich zur Messe in diesem Jahr, ist eine Nummer kleiner: ein Taschenbuch gedruckt on demand: „Balzmann Drei“ von Gerald Marten. Band 1 einer reichlich abstrusen SF-Satire über die Weltraumreise des „Segelraumschiffs Gurk Fock“, gespickt mit unzähligen Anspielungen. Das Buch sprach Jaegers kaballistische Dechiffrierlust an. „Man kann viele Anspielungen herauslesen, muss es aber nicht.“ Er ist noch immer begeistert, auch vom Verfasser, den er bisher nur brieflich kennen gelernt hat. „Anscheinend ein Autor vom alten Schlage, eher scheu. Das Manuskript hat er auf einer mechanischen Schreibmaschine verfasst.“ Der Verleger als Mäzen, dies sei ein weiterer Aspekt seiner Motivation. Weitere Bände können folgen.

Und sonst? Jaeger harrt der Texte und wird sich überraschen lassen. Satirisch soll es sein, humoristisch, neu, schräg, abseits vom Mainstream. Kurz vor der Drucklegung steht ein zweites Comicalbum von Helge Jäger, „Ito-San und der Cocktower“: „Der vielleicht erste Berliner Architekturcomic der Welt.“ Diesmal wird kostengünstiger in Schwarzweiß, mit Softcover und on demand produziert. Stolz zieht er das Manuskript aus seinem Koffer. „Sie sind der erste außerhalb der Familie, der einen Blick drauf werfen kann.“ Auch der Kellner schielt bereits neugierig. Sieht gut aus! Es geht um eine japanische Baufirma, deren Chef Ito-San auf dem Schlossplatz ein seltsames Gebäude errichten will, um Koffer voller Geld, eine Tiefgarage an der Siegessäule und um Neuschwanstein: der Berliner Bauwahnsinn auf die Schwanzspitze getrieben. Viel versprechend. Vielleicht der Durchbruch? „Ich erwarte ja nicht viel, ein wenig Feedback, ein bisschen Erfolg, ein paar Einnahmen.“ Falls das nicht eintritt, hat Jaeger sich ein Limit gesetzt: „Die Mittel reichen noch für vier bis fünf Projekte. Wenn sich an der Resonanz nichts ändert, ist Schluss.“ Sonst wird es endgültig zur Liebhaberei, und selbst das Finanzamt akzeptiert Ausgaben dafür nicht mehr als Verlust.

Die Bücher des Kopfjaeger Verlages sind zu bestellen bei: www.Kopfjaegerverlag.de oder bei www.libri.de

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