: Christian Wulffs erste Chance – dank Schröder
CDU-Parteitag in Niedersachsen: Die Umfragen zur Landtagswahl stehen gut für die Union. Am Spitzenkandidaten Wulff liegt das allerdings nicht
OLDENBURG taz ■ Zehn Wochen vor der Niedersachsenwahl gab sich CDU-Landeschef Christian Wulff schon zum Auftakt des Landesparteitags in Oldenburg siegessicher: Man komme zum „für sehr, sehr lange Zeit letzten Parteitag der niedersächsischen CDU in der Opposition“ zusammen, begrüßte er seine 450 Delegierten. Und tatsächlich konnten die niedersächsischen Christdemokraten just zu ihrem Parteitag, der allein die Aufgabe hatte, einstimmig ein „Regierungsprogramm“ zu beschließen, erstmals seit vielen Jahren zumindest eine Meinungsumfrage gewinnen. Nach einer von der CDU selbst in Auftrag gegebenen Emnid-Erhebung müssten die Sozialdemokraten zurzeit nach 13 Regierungsjahren auf den Oppositionsbänken des Landtages Platz nehmen. Nur ein schwarz-gelbes oder ein schwarz-grünes Bündnis wären demnach möglich.
Laut Emnid kommt die niedersächsische SPD mittlerweile nur noch auf 34 Prozent und liegt damit 14 Punkte hinter ihrem Landtagswahlergebnis von 1998. Zugleich gewinnt die CDU fünf Prozentpunkte und kommt auf 43 Prozent. Auch die Grünen steigern sich von 7 auf 12 Prozent. Und da der FDP trotz Affäre Möllemann noch 6 Prozent attestiert werden, erscheint auch ein schwarz-gelbes Bündnis in Niedersachsen denkbar. War Christian Wulff bei den Landtagswahlen 1994 und 1998 noch am Ministerpräsidenten Gerhard Schröder gescheitert, so scheint sich der Bundeskanzler Schröder im Zuge der Wahlbetrugs- und Steuererhöhungsdebatte nun als Unterstützer des einstigen CDU-Jungtalents und Chefs der „Schülerunion“ zu entpuppen.
In Oldenburg betonte folgerichtig auch CDU-Parteichefin Angela Merkel die bundespolitische Bedeutung der Doppelwahl in Niedersachsen und Hessen. Eine Umkehr oder Verbesserung ihrer Politik werde die Bundesregierung nur in Angriff nehmen, wenn sie am 2. Februar eine Quittung bekomme. Rot-Grün brauche „eine scharfe Kontrolle über den Bundesrat“.
Merkel hat ihre Rechnung allerdings ohne den niedersächischen CDU-Spitzenkandidaten Wulff gemacht, der am 2. Februar seine dritte und letzte Chance erhält. Vor konkreten Kampfansagen flüchtete sich Wulff ins Gefühlig-Grundsätzliche und wollte die ideologischen Kriege seiner Zeit in der Schüler-Union auferstehen lassen. Die Sozialdemokraten nannte er immer wieder „Sozialisten“, die „spinnerig werden, wenn sie zu lange regieren“. Wulff sah die Bundesrepublik auf dem Weg „in eine westliche DDR light“. Der SPD gehe es um „systematische Angriffe auf Ehe, Familie, Eigentum und Vermögen“. Die „geistige Auseinandersetzung“ zwischen CDU/CSU und SPD sei „längst nicht erledigt“. In der langen Predigt für den Rückzug des Staates, gegen Kriminalität, gegen „mit Drogen handelnde Asylbewerber“ und vor allem gegen die „48 Steuererhöhungen von Rot-Grün“ ging jedoch der eigentliche Zweck eines Wahlkampf-Parteitags unter: Er beschwor keinen Kampfgeist, setzte der Partei kein konkretes Wahlziel, erwähnte nicht mal die Koalitionsfrage.
„Die Wahl ist noch nicht gewonnen“, sagte der CDU-Landeschef nach dem Parteitag. In der Tat kann SPD-Ministerpräsident Sigmar Gabriel noch hoffen – nicht zuletzt, weil sein Gegner Christian Wulff heißt.
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