Eine bestmögliche Niederlage

Das knappe Scheitern des Referendums über eine Verschärfung der Asylgesetze in der Schweiz verschafft der SVP eine gute Ausgangsposition für die Parlamentswahlen 2003

GENF taz ■ Es war die knappste Niederlage einer Volksinitiative, seit das basisdemokratische Initiativrecht im Jahre 1891 in der Schweiz eingeführt wurde. Doch für die Initiatoren des Referendums, die von dem Zürcher Rechtspopulisten Christop Blocher geführte Schweizer Volkspartei (SVP), ist diese hauchdünne Niederlage das denkbar beste Ergebnis. Bei einer für Schweizer Verhältnisse überdurchschnittlich hohen Beteiligung von 47,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten und insgesamt über 2,25 Millionen abgegeben Voten trennten die Ja- und die Neinsager am Ende lediglich 3.422 Stimmen (50,1 zu 49,9 Prozent).

Einige Kommentatoren regten angesichts dieses knappen Ergebnisses regionale Nachzählungen oder gar eine Wiederholung der gesamten Auszählung an – ähnlich wie bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen im Bundesstaat Florida. Doch die SVP wird sich hüten, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Denn für sie ist dieses Abstimmungsergebnis der beste Ausgangspunkt für die Parlamentswahlen im Oktober kommenden Jahres. Bei dieser Wahl nämlich will die SVP die Sozialdemokraten als derzeit noch stärkste Fraktion im Berner Nationalrat überrunden und dann auch endlich ihren Anspruch durchsetzen, in der siebenköpfigen Berner Bundesregierung (Bundesrat) endlich einen zweiten Minister stellen zu dürfen.

Die äußerst knappe Niederlage ihrer Volksinitiative vom vergangenen Wochenende kann die SVP als großen Erfolg verkaufen – zumal eine Mehrheit von zwölfeinhalb der 24 Ganz- und Halbkantone für die Initiative stimmte und der Anteil der Jastimmen auch in der französischsprachigen Westschweiz höher war als bei allen ähnlichen Volksinitiativen der vergangenen 30 Jahre.

Jetzt dürfte die SVP das Thema Asyl/Flüchtlinge noch rücksichtloser als in den letzten Monaten für ihren Wahlkampf nutzen. Wäre die Initiative gegen „Aslymissbrauch“ hingegen vom Schweizer Volk mehrheitlich angenommen worden, hätte sich in den elf Monaten, die noch bis zur nächsten Parlamentswahl bleiben, gezeigt, dass ihre Umsetzung in die Praxis nicht möglich ist und dass sie statt Probleme zu lösen nur noch größere Probleme schaffen würde. Diese Probleme wären dann auf die SVP zurückgefallen.

Bei den Gegnern der Initiative und in den Medien herrschte nach der äußerst knappen Ablehnung der Initiative keine Siegesstimmung, sondern lediglich skeptische Erleichterung. Fast überall war die Kritik zu hören, dass die bürgerlichen Parteien (Liberale/Freisinnige und Christliche Volkspartei) der SVP das Thema Flüchtlinge/Asyl und die damit unzweifelhaft verbundenen Ängste in der Bevölkerung in sträflicher Weise weitgehend überlassen haben.

ANDREAS ZUMACH