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Populisten stürzen ab

Deutschland: Die FDP-Spitze will Jürgen W. Möllemann aus der Partei werfen. Österreich: Jörg Haider kündigt nach Wahldebakel Rückzug aus Politik an. Westerwelle: „Guter Tag für Europa“

BERLIN/WIEN taz ■ Fast gleichzeitig kündigte sich gestern das politische Aus zweier deutschsprachiger Rechtspopulisten an. In Deutschland hat das Präsidium der FDP ihren früheren Spitzenmann Jürgen W. Möllemann zum Parteiaustritt aufgefordert. Sollte Möllemann bis zum zweiten Dezember nicht selbstständig die Partei verlassen haben, wollen die Liberalen ein Parteiausschlussverfahren eröffnen.

In Österreich hat der frühere FPÖ-Chef Jörg Haider nach dem verheerenden Absturz seiner Partei von knapp 27 auf gut 10 Prozent bei den Parlamentswahlen seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Er wolle als Landeshauptmann von Kärnten zurücktreten, sagte Haider im Österreichischen Rundfunk.

Beiden Politikern wird von Parteifreunden ein großes Mitverschulden am schlechten Abschneiden ihrer Parteien bei den jeweiligen Nationalwahlen angelastet. Jürgen W. Möllemann habe durch seinen mit antiisraelischen Parolen und Pamphleten geführten Wahlkampf kurz vor dem Urnengang erheblichen, auch öffentlich ausgetragenen Zwist in die FDP gebracht. Zum Bruch mit der Partei hatten zuletzt die dubiose Finanzierung eines antisemitisch eingefärbten Flugblattes und weitere ungeklärte Finanztransaktionen des Fallschirmspringers geführt. Jörg Haider habe seiner Partei geschadet, indem er kurz vor der Wahl seine Nachfolgerin als Parteivorsitzende, Susanne Riess-Passer, aus dem Amt drängte, damit die Koalition platzen ließ, die FPÖ in eine Führungskrise stürzte und das Vertrauen der Wähler in die FPÖ als verlässliche Regierungspartei zerstörte.

Während Haider erklärte, das Wahlergebnis sei auch Ausdruck des Misstrauens der Wähler gegen ihn selbst und sein „Bedarf an Politik absolut gedeckt“, scheint Jürgen W. Möllemann nicht so schnell Ruhe geben zu wollen. Gegenüber dem Stern sprach Möllemann von dem drohenden Parteiausschluss als einem „politischen Prozess“. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle äußerte sich erfreut über die Entwicklung im Nachbarland: „Es ist ein guter Tag für Europa, dass sich der Rechtspopulist Haider selbst abgeschossen hat.“ Schuld seien dessen „manische Eitelkeit“ und sein „Narzissmus“. Auch seinem ehemaligen Vize Möllemann warf Westerwelle vor, dass er „aus der FDP eine rechtspopulistische Partei machen wollte“.

Jürgen W. Möllemann hat derweil mit einem handschriftlichen Brief aus Gesundheitsgründen seinen Rückzug von allen Ämtern angekündigt, die er im Karneval seiner Heimatstadt Münster bekleiden sollte.

STEFAN KUZMANY

brennpunkt SEITE 3, 4

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