Ein aktivierender Sozialstaat

Mit den Hartz-Plänen will die Bundesregierung Arbeitslosen Beine machen. Eine linkes Bündnis schwingt sich nun schon mal auf – zum Protest. Nächste Woche Demonstration vorm Arbeitsamt

von PETER NOWAK

Das dürften sich die FreundInnen des Konzepts vom aktivierenden Sozialstaat doch etwas anders vorgestellt haben. Seit die Pläne des ehemaligen VW-Managers Peter Hartz zur Umstrukturierung von Arbeitsmarkt und Sozialsystemen konkrete Gestalt annehmen, regt sich der Protest. Nach dem Ruhrgebiet und Frankfurt/Main hat sich jetzt auch in Berlin ein Anti-Hartz-Bündnis gegründet, das mehrere Arbeitsgruppen und auch schon eine eigene Grundsatzerklärung hat. Am Montagabend hat das Bündnis unter dem Motto „Sich aktivieren gegen ‚Hartz‘ – Gegen Arbeitszwang, Niedriglöhne und Ich-AGs“ zur ersten öffentlichen Veranstaltung ins Kreuzberger Veranstaltungslokal Kato eingeladen.

Eine bewegungserfahrene Berliner Altaktivistin hatte vorher gewarnt. „Wer zu spät kommt, kriegt keinen Platz. Das Thema ist zurzeit total in. Die Flugblätter werden uns zurzeit förmlich aus der Hand gerissen, und das Informationsbedürfnis ist riesig.“ Sie sollte Recht behalten. Schon lange vor Beginn war im Kato kein Platz mehr zu bekommen. Da saßen GewerkschafterInnen neben Mitgliedern von Erwerbslosen- oder Sozialhilfeinitiativen. Sogar linke SzeneaktivistInnen, die die soziale Frage schon lange kaum noch buchstabieren konnten, ließen sich von Hinrich Germs von den Erwerbsloseninitiativen erklären, welche Folgen die Umsetzung der Hartz-Vorschläge hätte.

Anette Schäfer vom Berliner Gegeninformationsbüro skizzierte die politische Stoßrichtung und den Kontext dieser Pläne. Mit dem Verweis auf Äußerungen von führenden Wirtschaftsexperten stellte sie die Herstellung von sozialer Ungleichheit als Stimulans für die Wirtschaft als bewusstes Ziel heraus. Jörg Steinert vom Anti-Hartz-Bündnis befasste sich mit den Widerstandsperspektiven. Es gelte ein Anti-Hartz-Bündnis zu schmieden, das von linken Gewerkschaftern über Erwerbslosenvertreter bis hin zu den Autonomen reiche.

Anschließend stellte Steinert einige Aktionen vor, die in Berlin geplant sind. Ein erster Höhepunkt auf der Protestagenda wird die erste Dezemberwoche sein. Unter dem Motto „Was tun gegen Hartz“ ist für den 4. Dezember eine Podiumsdiskussion mit dem Gewerkschafter Detlef Hensche, dem linken Wirtschaftswissenschaftler Michael Heinrich und der Erwerbslosenaktivistin Christa Sonnenfeld in der Humboldt-Universität geplant. Einen Tag später soll die erste berlinweite Anti-Hartz-Demonstration am Arbeitsamt in der Charlottenstraße beginnen. Ort und Zeit sind bewusst gewählt. Schließlich werden am 5. Dezember die aktuellen Erwerbslosenzahlen bekannt gegeben. Für den 19. Dezember rufen die AktivistInnen zum „Tag des sozialen Protests“ auf.

Die Befürchtung, dass ihnen über Weihnachten die Puste ausgeht, haben die AktivistInnen nicht. Schließlich seien schon „Hartz II“ und „Hartz III“ genannte Gesetzespakete in Vorbereitung. Außerdem sollen im Januar bei Siemens und Vivendi die ersten Berliner Personal-Service-Agenturen (PSA) eröffnet werden. Dort sollen getreu den Hartz-Plänen ArbeitslosengeldbezieherInnen sechs Monate zur Arbeit „ausgeliehen“ werden. Weigerungen haben Kürzungen der Leistungen zur Folge. Die Anti-Hartz-AktivistInnen wollen diese PSA in den Mittelpunkt ihrer Proteste stellen. „Im Ruhrgebiet hat Superminister Clement seinen PSA-Besuch wegen der Proteste absagen müssen. Das können wir in Berlin auch schaffen“, meinte ein Teilnehmer unter Applaus.

Infos: www.anti-hartz.de