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Überall Bummelstudenten!

Die Große Koalition will Langzeitstudierenden auf die Pelle rücken. Weil man sich nicht auf Studiengebühren einigen konnte, werden nun fast alle mit Zwangsberatung und Exmatrikulationsandrohung unter Druck gesetzt werden

Die Bremer Wissenschaftsbehörde will Sanktionen gegen Langzeitstudenten einführen. Der aktuelle Entwurf für die Novellierung des Bremischen Hochschulgesetzes sieht vor, Studierende mit Ablauf der Regelstudienzeit zur Teilnahme an einer Studienberatung zu verpflichten. In diesem Gespräch sollen Studierende und Hochschule eine „Vereinbarung“ darüber schließen, in welchem Zeitraum das Studium zu beenden sei. Maximal sollen noch einmal vier Semester gewährt werden – je nach „individueller Studien- und Lebenssituation“. Wird das Ziel verfehlt, ist erneut ein Gespräch fällig, in dem in Härtefällen nochmals bis zu zwei Semester gewährt würden. Danach sieht der Entwurf, den die Wissenschaftsdeputation morgen debattiert, die Exmatrikulation vor.

Ursprünglich wollte die Behörde zum Ende der Regelstudienzeit lediglich eine Pflichtberatung festschreiben. Erst vier Semester später sollte exmatrikuliert werden, wer sich nicht beraten lässt. Dem Akademischen Senat (AS) hingegen ging der Vorschlag nicht weit genug: Gegen die Stimmen der studentischen Vertreter forderte das Gremium, dass in der ersten Beratung ein Zeitplan für den Studienabschluss festgelegt wird. Wird er nicht eingehalten, sollte gegebenenfalls nochmals ein Nachschlag möglich sein. Legt der Studierende seine Abschlussprüfung immer noch nicht ab, soll sie als „erstmalig nicht bestanden“ gewertet werden.

Die Behörde hat mit ihrem zweiten Entwurf nun noch eins draufgesetzt: Exmatrikulation statt „Fehlversuch“, für alle, die ihren Abschluss trotz Nachschlag nicht in der Tasche haben.

Hintergrund der Gesetzesnovelle ist ein Umschwenken in der Hochschulfinanzierung: Die Wissenschaftsbehörde stellt die Mittelzuweisung an die Hochschulen immer mehr auf ein Kontraktmodell um, nach dem die Höhe der Beträge zunehmend an so genannte Erfolgskriterien gebunden ist. Ein zentrales Kriterium ist die durchschnittliche Studiendauer. Deshalb sind die Hochschulen interessiert, die Studierenden schneller zum Abschluss zu bringen.

Die Universität Bremen ist mit den Plänen von Senator Willi Lemke (SPD) dennoch nicht zufrieden. Das Rektorat wollte erst vier Semester nach Ende der Regelstudienzeit die erste Pflichtberatung etablieren. Sanktionen waren nicht geplant. „Wir hoffen, dass das so nicht durchkommt“, sagt Pressesprecherin Winnie Abraham. „Zwang bringen wir mit unseren Angeboten eigentlich nicht in Zusammenhang.“ Kritik kommt auch vom Asta: Mit einem Beratungsangebot hätten die Pläne nichts zu tun. „Es ging der Behörde nur um eine Rechtsgrundlage für die Exmatrikulation“, sagt Asta-Vorstand Nils Stegemann. Was im Gesetztentwurf als „freiwillige Vereinbarung“ zwischen Studierenden und Hochschulen daher komme, sei in Wahrheit ein „Studiendiktat“, der Willkür werde Tür und Tor geöffnet: Wer das „Angebot“ seines Studienberaters ablehne, fliege schließlich einfach raus.

Die Grünen wollen dem Vorschlag morgen nicht zustimmen. Ihr Abgeordneter Hermann Kuhn kritisiert, dass die „Vereinbarungen“ einseitig seien: Die Hochschulen würden sich nicht zur Bereitstellung der für den Abschluss notwendigen Lehrveranstaltungen und Bücher verpflichten. Außerdem sei die Maßnahme wenig zielgenau: Die Regelstudienzeiten lägen zwischen neun und zehn Semestern, die durchschnittliche Studiendauer meist bei 14 Semestern. Deshalb müssten bis zu drei Viertel aller Studierenden zur Zwangsberatung, obwohl die Gründe für ihr langes Studium – wie vom Bremer Senat offiziell festgestellt – fast ausnahmslos außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. „Das wird ein bürokratisches Monstrum, das die Hochschulen völlig überfordert“, prophezeit Kuhn. Letzlich werde die „Beratung“ sich unter diesen Umständen auf ein „schematisiertes Ankreuzen“ beschränken.

Auch die Regierungsfraktionen sind nicht richtig glücklich mit dem Entwurf aus dem Hause Lemke: Jörg Jäger (CDU) spricht immerhin von einem „Schritt in die richtige Richtung“, räumt aber auf Nachfrage ein, dass die Beratung am Ende des Studiums eigentlich zu spät komme. In Richtung SPD fügt er hinzu, der eingeschlagene Weg sei „die letzte Möglichkeit, die Einführung von Langzeit-Studiengebühren abzuwenden“, die er in der nächsten Legislaturperiode dennoch durchsetzen will. Die SPD sieht in der Deputation noch Beratungsbedarf: „Mich stört noch der Automatismus der Zwangsexmatrikulation“, sagt Mario Domann-Käse. „Wir wollen schließlich keine Abbrüche provozieren.“ Auch über Verpflichtungen der Hochschulen im Gegenzug zum Zeitplan müsse man nochmal nachdenken.

Bis der Entwurf in die Bürgerschaft kommt, scheint es noch ein gutes Stück Weges zu sein. Nur über eines sind sich die Beteiligten einig: Die Studienberatungs-Angebote an Bremens Hochschulen sind dringend verbesserungsbedürftig.

Jan Kahlcke

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