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„Nicht beeindrucken lassen“

Die Werbeflaute hält an. Doch wie viel Krise ist wirklich? Bundeskartellamts-Chef Ulf Böge über Fusionskontrolle, Medienpolitik und die Verlegerkampagne gegen die Presserechenklausel

Interview STEFFEN GRIMBERG

Im Wettberwebsrecht nehmen Zeitungen eine Sonderstellung ein. Was ist das Besondere an der Presserechenklausel?

Ulf Böge: Legt man die allgemeinen Kriterien der Fusionskontrolle zugrunde, würden nur Verlage mit Zeitungen erfasst, deren Auflagen über die Millionengrenze hinausgehen. Und da gibt es gerade mal vier Unternehmen in Deutschland. Um die Pressevielfalt zu erhalten, hat der Gesetzgeber daher eine besondere Rechenklausel eingeführt. Damit ist ein Zusammenschlussvorhaben nicht erst bei 500 Millionen Euro Umsatzerlösen der Beteiligten zu prüfen, sondern schon bei 25 Millionen.

Die Verlegerlobby bemüht sich seit Monaten – auch beim offenbar nicht ganz abgeneigten Bundeskanzler – um eine Aufweichung dieser Vorschrift. Sind Sie hier politischem Druck ausgesetzt?

Nein. Wir können nur feststellen, dass die geltenden Regelungen funktionieren. Beim anstehenden Fall Berliner Verlag und Holtzbrinck spielt die Klausel ohnehin keine Rolle, da die Konzernerlöse über 500 Millionen Euro hinausgehen. Die Klausel hat außerdem noch nie sinnvolle Zusammenschlüsse verhindert. Hier gibt es keine berechtigten Beschwerden.

Dafür wird Ihnen der Vorwurf gemacht, zu ignorieren, dass der Berliner Zeitungsmarkt deutlich vielfältiger ist als die von Ihnen geprüfte Situation bei den drei regionalen Abozeitungen.

Wir müssen immer den räumlichen und den sachlich relevanten Markt zugrunde legen. Räumlich geht es um Berlin Stadt. Und sachlich handelt es sich – das hat auch der Bundesgerichtshof bestätigt – um unterschiedliche Märkte: Regionale Abozeitungen sind nun mal ein anderer Markt als überregionale Titel oder Boulevardblätter.

Steht der Zeitungsmarkt denn nun vor der angekündigten nächsten großen Konzentrationswelle?

Zahlreiche Verlage loten aufgrund der Einbrüche im Anzeigengeschäft Möglichkeiten für Fusionen aus. Im Bundeskartellamt hat sich die diskutierte Vielzahl von Fusionsvorhaben bisher nicht in Form von Anmeldungen niedergeschlagen.

Jüngstes Beispiel ist der Einstieg der Südwestdeutschen Medienholding aus Stuttgart beim Süddeutschen Verlag. Werden Sie diesen Fall prüfen?

Ich gehe davon aus, dass es ein Zusammenschluss im Sinne des Gesetzes wäre. Wenn es zu einer entsprechenden Einigung kommt, ist der anzumelden.

Springer-Vorstand Mathias Döpfner meint, dass am Ende nur noch zwei überregionale Zeitungen übrig bleiben. Können Sie das verhindern?

Ich will mich nicht an solchen Spekulationen beteiligen. Möge der Markt entscheiden. Es darf aber nicht sein, dass wir nach konjunturellen Krisen mit einem immer höheren Konzentrationsgrad herauskommen. Das Kartellrecht muss die längerfristigen Entwicklungen und die Marktstrukturen berücksichtigen und darf sich nicht von Flauten im Werbegeschäft beeindrucken lassen.

Wird die Krise also übertrieben und von bestimmten Unternehmen für eigene Ziele missbraucht?

Das kann ich nicht beurteilen. Die wirtschaftliche Lage der einzelnen Verlage ist höchst unterschiedlich, auch auf dem Berliner Markt. Es gibt eben fette und magere Jahre. Manche Verlage treffen Vorsorge, andere verpassen das. Das sind unternehmerische Entscheidungen. Wir müssen nur darauf achten, dass die Pressevielfalt nicht von der Marktbeherrschung abgelöst wird.

Bei den Regionalzeitungen nimmt die Konzentration aber definitiv zu.

Den Trend verzeichnen wir seit Jahrzehnten. In über der Hälfte der deutschen Stadt- und Landkreise erscheint heute nur noch eine Zeitung. Deshalb gibt es ja die Presserechenklausel, sonst hätten wir in den Regionen eine Konzentration ohnegleichen.

Geht diese Entwicklung wegen der aktuellen Branchenkrise jetzt in eine besonders kritische Phase?

Da fehlen mir gesicherte Daten. Außerdem gibt es viele Formen der Kooperation, die kartellrechtlich unbedenklich sind. Zum Beispiel Vertriebskooperationen oder unbedenkliche Zusammenarbeitsformen von Regionaltiteln, deren Verbreitungsgebiete nicht unmittelbar nebeneinander liegen.

Ist eine solche Zusammenarbeit nicht oft nur der Einstieg in den Konzentrationsprozess?

Das ist immer die Frage. Auch wenn Sie irgendwo eine Beteiligung haben, die Ihnen noch keinen Einfluss gibt, kann man sagen: Das ist der Einstieg in eine längerfristige Entwicklung. Kritisch wird es dann, wenn der Wettbewerb beeinträchtigt wird.

Vielleicht wären weitergehende Regelungen auch eher die Aufgabe von Medienpolitik – und nicht des Kartellamts. Doch Medienpolitik, sagen Kritiker, finde auf Bundes- wie Landesebene schlicht nicht statt, dafür müsse das Kartellamt immer häufiger als Auffanglinie herhalten.

Ich zögere, in diese Kritik einzusteigen. Unser Auftrag ist die Kontrolle wirtschaftlicher Machtstellungen. Wir gehen jedoch davon aus, dass wirtschaftlicher Wettbewerb auch die Presse- und Meinungsvielfalt gewährleistet.

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