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Weihnachtswunsch: Weiterarbeiten

500 Arbeiter der insolventen SSW-Werft besetzen die Doppelschleuse in Bremerhaven: Die Wut ist groß, ab Montag gibt es kein Geld mehr. Die Malocher machen „massive Managementfehler“ für die Pleite der Firma verantwortlich

17 Grad warm und sonnig –so das Wetter auf Mallorca gestern. 8 Grad nasskalt und bedeckt – so das Wetter in Bremerhaven. Bei dieser Witterung zog die Tagesschicht der insolventen SSW-Werft nach einer Belegschaftsversammlung in aller Frühe zur Doppelschleuse, die den Fischereihafen mit der Weser verbindet, um sie eine Stunde lang zu besetzen.

Etwa 500 Werftarbeiter, so eine Polizeischätzung, angeführt vom Betriebsrat und der IG Metall, ließen Dampf ab. Die Stimmung war so wie manche, die es nicht gut mit der Stadt meinen, Bremerhaven beschreiben würden: Die Resignation war deutlich zu spüren.

Betriebsratschef Holger Pflaumbaum klagte im Namen der Belegschaft die ehemalige Firmenleitung um Geschäftsführer Eckart Knoth an: „Die Insolvenz ist durch massive Managementfehler ausgelöst worden.“ Die Preise für Schiffsneubauten seien, gemessen an Weltmarktpreisen, zu niedrig verhandelt worden, und das Con-trolling des Unternehmens habe versagt.

Überhaupt: das Controlling. Entsetzen machte sich breit, als bekannt wurde, dass für diesen Bereich Knoth Junior zuständig war. Das habe in die Insolvenz geführt. Drei Monate sind seitdem vergangen, ab Montag gibt es auch kein Insolvenzausfallgeld mehr. Das alleinige Sagen wird dann der Insolvenzverwalter, Jan H. Wilhelm, haben. Es ist die nackte Angst, die den Arbeitern anzusehen ist. Ein Radioreporter fragt: „Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?“ „Nur, dass mein Arbeitsplatz erhalten bleibt.“ Denn Pflaumbaum und sein Betriebsrat sehen einen drohenden „Kahlschlag bei den Arbeitsplätzen und eine Beendigung der Neubauaktivitäten bei der SSW“. Die Kollegen löffeln Erbsensuppe, während er einen Forderungskatalog vorstellt: Um Entlassungen zu verhindern, müsse eine Auffanggesellschaft gegründet und deren Finanzierung sichergestellt werden.

Ein Konzept solle erarbeitet werden, dass den Erhalt der Werft als Neubauwerft vorsieht. Die Bremerhavener Lloyd-Werft forderte Pflaumbaum auf, an Zusagen festzuhalten, nach denen die SSW an einigen Umbauten beteiligt würde. Und das Land Bremen „muss eine Bürgschaft für eine Bauzeitfinanzierung geben“, die man für mögliche Anschlussaufträge benötige. Unsicher ist bis jetzt noch, ob das letzte Schiff einer Auftragsserie der Hamburger Reederei E.R. Schifffahrt wirklich fertiggebaut würde. Hier fordert Pflaumbaum grünes Licht zur Weiterarbeit.

Schiffe dieser Auftragsserie waren es, die die Werft vor drei Monaten in die Pleite trieb. Drei Rümpfe wurden aus Kapazitätsgründen in Rumänien gebaut. Die Qualität stimmte jedoch nicht.“ Und das, obwohl unsere Bauaufsicht da unten war“, so Pflaumbaum, „und die Arbeiten abnahm“. Millionenkosten entstanden durch die notwendigen Nacharbeiten in Bremerhaven. „Auch wieder so ein katastrophaler Managementfehler.“ Die Nachfolger von Knoth und seiner Mannschaft nahmen gestern noch keine Stellung zu den Forderungen ihrer Belegschaft. Weder SSW-Geschäftsführer Jürgen Möller noch der Insolvenzverwalter Wilhelm waren für eine Stellungnahme zu erreichen. Was das alles mit Mallorca zu tun hat? Da verbrachte Ex-Geschäftsführer Eckart Knoth bis gestern sonnige Tage, während seine ehemalige Belegschaft um ihre Arbeitsplätze kämpft. Sein Mobiltelefon hatte er jedoch abgeschaltet.

Philipp Jahn

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