: Weil German so zeitgeist ist
Phrasen bleiben Phrasen. Und die Wand eine Wand: Theatervorrat mit „Our Famous Schnitzels“ im Narva-Turm
Von außen, von weitem, vor allem nachts sieht es großartig aus. Man fährt von Kreuzberg über die Oberbaumbrücke nach Friedrichhain, es ist kalt und feucht und wenig heimelig zwischen Spree und Schienengewirr, da leuchtet es rechter Hand durch den Nebel. SCHNITZELS. In Großbuchstaben. Ein blinkender Schriftzug hinter den Fenstern des Narva-Turms, von dem nicht klar wird, ob er deutsche Küche im 12. Stock verspricht oder sagt: Hey, ihr da unten, ihr seid doch nichts anderes als Stücke totes Fleisch.
Von nahem, von innen, mit weitem Blick nach draußen sieht es auch großartig aus. Für ihre Produktion „Our Famous Schnitzels“ nutzt die Gruppe theatervorrat den Glaswürfel des Narva-Turms, das aufgestockte Büro-Penthouse der gründerzeitlichen Glühbirnenfabrik, die 1992 von der Treuhand abgewickelt wurde und ab 2004 wieder „zukunftsorientierter Dienstleistungsstandort“ sein soll. Momentan gibt es hier Bier und Performances.
Dass Theater wie Clubs in Berlin und anderswo urbane Zwischenräume nutzen, ist zwar einem gewissen Kapital- oder Hipness-Diktat geschuldet, trotzdem aber eine feine Sache. Wer sich allerdings nach dem Verlassen der Guckkastenbühne nicht auf den Ort einlässt, kann von seiner Aura kaum profitieren. Theatervorrat lädt nun sein Publikum in den Glaswürfel, um es dann mit dem Rücken zum Fenster zu platzieren. Statt das „Sprachspektakel nach ‚Ulysses‘ von James Joyce“ – eine rhythmische Lektion über die Welt kommunikativer Missverständnisse – vor der auratischen Kulisse der bewegten nächtlichen Stadt spielen zu lassen, blickt der Zuschauer auf sechs Schauspieler vor einer Wand. Talent für Inszenierung bezeugt das nicht.
In einem angedeuteten Barraum tauschen zwei weibliche und vier männliche Figuren Sätze aus. Verständigung mag man das nicht nennen, denn sie können sich kaum einigen, außer darauf, dass „German so zeitgeist“ sei. Banalitäten werden ausgetauscht, und ihrem Klang wird hinterhergelauscht. Regisseur Georg Scharegg hat die Kommunikationsriten strukturiert, Aggression, Langeweile und Humor kombiniert, Zitate und chorische Intervalle eingebaut, aber bezwingend präzise ist diese Komposition nicht. Statt zu Klangbildern zu werden, bleiben die Phrasen Phrasen. Und die Wand bleibt eine Wand.
CHRISTIANE KÜHL
„Our Famous Schnitzels“ bis 21. 12., jew. Mi.–Sa., 20 Uhr, Rother Straße 11
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