„Wir sind nun wach“

Ein Gespräch mit der britischen Band Simian über ihr neues Album „We are your friends“, über London, Manchester und Vokuhilas

von ANDREAS HARTMANN

Ihre neue Platte „We are your friends“ klingt erstaunlich anders als Ihr Debüt. Weniger träumerisch. Was ist passiert?

Simon Lord: Wir sind vom Paradies herabgefallen und zurückgekehrt nach London.

James Ford: Wir sind aufgewacht.

Seit einem Jahr werden Künstler, deren Arbeit plötzlich weniger eskapistisch wirkt, gerne gefragt, ob dies mit dem 11. 9. zusammenhängt. Deshalb wollen wir das auch tun.

Simon Lord: Tatsächlich wollten wir ursprünglich einen Song auf unserer neuen Platte „Taliban“ nennen. Doch wir hatten schnell das Gefühl, dies wäre auch kein wirklich ernsthaftes Statement zur Lage geworden. Eigentlich sind wir auch keine politische Band.

Woran liegt es dann, dass Sie das Schwelgerische und Psychedelische nun durch meist kurze, knackige Mitsing-Popsongs ersetzt habt, die an die Beatles oder die Beach Boys erinnern?

James Ford: Wir haben vor allem sehr viel andere Musik gehört als früher. Neben den Sixties-Sachen war da auch viel Ragga dabei, und anstatt experimenteller elektronischer Musik einige funky Sachen, Prince etwa, aber auch aktuelle amerikanische R&B-Produktionen wie die von den Neptunes.

Simon Lord: Das hat uns dazu gebracht, die Songs direkter und energetischer zu gestalten, mehr in your face.

James Ford: Einen kurzen Song zu schreiben ist letztlich auch die größere Kunst, als lange, sphärische Sachen zu machen.

Auffallend ist, dass Sie sich auf keinen bestimmten Stil festlegen. Ganz zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie in Manchester gewohnt, einer Stadt, mit der man automatisch einen bestimmten Sound verbindet. Hat Sie der Umzug nach London erst richtig locker gemacht?

James Ford: Wir waren nie eine Manchester-Band.

Simon Lord: Dafür fühlten wir uns nicht qualifiziert. Schließlich ist das Manchester-Band-sein eine Identitätsfrage.Von uns ist ja niemand in Manchester aufgewachsen.

James Ford: Wir genießen es jetzt, dass niemand auf die Idee kommen würde, uns eine London-Band zu nennen.

Simon Lord: Dafür gibt es eine viel zu große musikalische Diversität in dieser Stadt. Blöderweise sind aber auch die Mieten doppelt so hoch wie in Manchester, und seit dem Electroclash-Hype rennen sie hier überall mit diesen funny haircuts, mit ironischen Haarschnitten herum, vorne kurz, hinten lang.

Früher nannte man diese Frisuren samt ihren Trägern Vokuhilas. Das waren meist Fußballer, Hardrockhörer oder Leute mit schlechtem Geschmack. Komisch, wie sich das umdreht, heute sehen sich Vokuhilas als Avantgarde.

James Ford: Ein tolles Wort, muss ich mir merken – Vokuhila.

Simon Lord: Du bekommst das Gefühl, dass Electroclash wirklich das große Ding ist, wegen den vielen Typen mit den funny haircuts. Man vergisst dann schnell, dass sich auf dem Land und im Rest der Welt kein Mensch für Electroclash interessiert.

Ihre Frisuren dagegen sind ja ziemlich normal?

Simon Lord: Klar, wir sind alle Country-Boys, die sich nicht für Fashion interessieren. Es macht aber schon Spaß, Leute zu sehen, die sich mit Hingabe zum Deppen machen.

Simian spielen heute ab 21 Uhr bei der Labels-Nacht mit Radio 4, The Faint und Athlete im Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstr., Prenzlauer Berg