: Dom ist nicht gleich Dom
Der künftige katholische Erzbischof Hamburgs, Werner Thissen, stellt sich der Öffentlichkeit vor. Der neue Mann wirkt bürgernah, um konkrete Aussagen macht er aber erst einmal einen Bogen
von PETER AHRENS
Als Werner Thissen, der künftige katholische Erzbischof Hamburgs, gestern von Münster kommend in die Hansestadt kam, leuchtete ihm als Erstes ein Hinweisschild entgegen, das auf den Hamburger Dom hinwies. Er vermutete, dass damit nicht sein künftiger Arbeitsplatz gemeint ist, „aber was das genau ist, weiß ich gar nicht“. Das wird er noch lernen, und auch sein Satz, „ich nehme mal an, dass es auch in Hamburg Problemviertel gibt“, wird sich bald konkretisieren – schließlich wird er als künftiger Bischof mitten in St. Georg residieren. Gestern stellte sich Thissen der Öffentlichkeit vor, und aus Notwendigkeit und Bereitschaft, sich erst langsam an „das zugegeben fremde Gebiet Hamburg“ heranzutasten, machte er keinen Hehl.
Hamburg – das ist für den 64-Jährigen nach eigenem Bekunden bisher Michel, Hamburger SV, FC St. Pauli und Musikhalle. Künftig kommen für ihn als Themen Sozialabbau, Zusammenarbeit mit den anderen Weltreligionen oder Kirchenaustritte dazu. Gestern zeigte Thissen noch das deutliche Bestreben, sich zu Reizthemen möglichst bedeckt zu halten. Frauenpolitik? „Keine Frau muss in der katholischen Kirche Minderwertigkeitsgefühle haben.“ Missbrauch-Debatte? „Der offiziellen Stellungnahme der Bischofskonferenz muss ich nichts hinzufügen.“ Finanzprobleme? „Mir sind andere Schlagworte wie die Verkündigung des Wortes und der Kontakt mit den Menschen wichtiger.“ Künftige Schwerpunkte? „Die Frage, was ich hier überhaupt tun werde, geht mir natürlich durch den Kopf.“ Thissen räumte zumindest ein, dass Priestermangel und Kirchenaustritte „ein Riesenproblem“ für die katholische Kirche sind.
Lange Jahre hat Thissen als Generalvikar das Erzbistum Münster geleitet, zuletzt war er Weihbischof – und als solcher ist er bisher eher unauffällig geblieben. Volksnah, ohne Schwierigkeiten, auf Menschen zuzugehen – diesen Eindruck erweckt er bei der Pressekonferenz nicht nur, weil er sämtlichen JournalistInnen zur Begrüßung die Hand drückt.
Revolutionäres jedoch ist von Thissen in seiner neuen Funktion kaum zu erwarten. Das deutete der designierte Erzbischof, der am 25. Januar offiziell in sein Amt eingeführt wird, gestern bereits an. Er gehe davon aus, dass „auch in den kommenden Jahrzehnten das Priesteramt nur von Männern ausgeübt wird“, sagte er. Und er sieht auch keinen großen Bedarf, die Basis des Kirchenvolks künftig an Bischofswahlen zu beteiligen: „Es ist ein Faktum, das feststeht, wie eine Bischofswahl abzulaufen hat, und ich weiß nicht, ob sich das mal ändert.“
Seine Aufgaben sieht er denn auch mehr darin, das heterogene Bistum, das neben Hamburg auch das ländlichere Schleswig-Holstein und Mecklenburg umfasst, zusammenzuführen. Und auch bei der Ökumene, der Kooperation mit der im Norden übermächtigen Evangelischen Kirche, will er Akzente setzen. „Kirche ohne Ökumene ist für mich nicht vorstellbar.“
Gegen zwei Konkurrenten hat sich Thissen bei der Ernennung zum Nachfolger Ludwig Averkamps durchgesetzt. Wer seine Mitbewerber waren, das hält das Domkapitel als zuständiges Gremium auch vor dem neuen Amtsinhaber geheim. Bis zuletzt waren stets die Namen des Osnabrücker Erzbischofs Franz-Josef Bode und des mediengewandten Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke gehandelt worden. Beide hatten ihre Ambitionen jedoch nie offiziell bestätigt. Der Vorsitzende des Wahlgremiums, Domprobst Alois Jansen, der das Erzbistum seit der Verabschiedung Averkamps im Februar kommissarisch geführt hatte, lässt nur durchblicken: „Er war der Beste.“ Und Thissen selbst hat den Eindruck gewonnen, „hier durchaus erwünscht zu sein“.
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