: Dreieinhalb Kilometer mehr Schiene
Die Linie 4 fährt ab Freitagmittag bis nach Borgfeld. Ein Meilenstein für den Nahverkehr, jubeln Umweltfreunde. Ein schlechteres Angebot als zuvor, klagen die Lilienthaler, denn die Schnellbusse fallen weg. Noch lehnen CDU und FDP den Weiterbau der Straßenbahn bis ins Dorf jedoch ab
Bremens Straßenbahnnetz wird wieder ein Stückchen länger. Ab Freitagmittag endet die Line 4 nicht mehr an der Horner Mühle, sondern fährt weiter bis nach Borgfeld – „ein Meilenstein für den Nahverkehr“, ist der Chef der Bremer Straßenbahn AG (BSAG), Georg Drechsler, überzeugt. Statt 16.000 – so viele Menschen sitzen Drechsler zufolge täglich in Borgfeld im Bus – soll die Straßenbahn künftig 22.000 Fahrgäste transportieren – 40 Prozent mehr.
18 Monate dauerten die Bauarbeiten, 32,5 Millionen Euro investierten der Bund (70 Prozent) und Bremen (30 Prozent) in die 3,5 Kilometer Schienen, die sieben Haltestellen, die zusätzlichen Straßenbahnen und in die Straßenbauten. Spezielle Ampelschaltungen sollen dafür sorgen, dass die Bahn an Kreuzungen ohne Wartezeit passieren kann. Gut 21 Minuten dauert so die Fahrt bis zum Hauptbahnhof, zu Stoßzeiten will die BSAG stadteinwärts zusätzlich Sprinter-Bahnen einsetzen, die nicht überall halten und daher fünf Minuten schneller sind.
Um in der Mitte Platz für die Gleise zu schaffen, wurden die Autospuren am „Langen Jammer“, der Lilienthaler Heerstraße, auseinander gerückt, Anwohner mussten bis zu 2,50 Meter ihrer Vorgärten abtreten. Den Autos stehen in jeder Fahrtrichtung mindestens eine überbreite Fahrspur zur Verfügung, alle Kreuzungen sind vierspurig. Auch der vierspurige Ausbau des Autobahnzubringers Kopernikusstraße gehörte mit zum Ausbau der Linie 4. „Das war ein politischer Kompromiss“, sagt Peter Müller, Verkehrsexperte des Bremer BUND. Nun gelte es, die Bahn über die Landesgrenze hinweg bis zum Falkenberger Kreuz in Lilienthal weiterzubauen. „Erst dann ist sie eine gute Alternative für Berufspendler“, sagt Müller.
Gar nicht begeistert von der neuen Linie 4 ist der stellvertretende Lilienthaler Bürgermeister Axel Miesner (CDU). Um sich nicht selbst Konkurrenz zu machen, stellt die BSAG nämlich ab Weihnachten den Betrieb der Schnellbuslinie 30 S zwischen Falkenberger Kreuz und Domsheide ein. „Das war die ideale Verbindung nach Bremen“, klagt Miesner. Zukünftig müssen die Lilienthaler in Borgfeld umsteigen oder die Regionalbusse benutzen.
Eine Verlängerung der Straßenbahn selbst bis zum Falkenberger Kreuz, wie ursprünglich vorgesehen, lehnt der Lilienthaler Gemeinderat indes weiterhin ab. Das Planfeststellungsverfahren hierfür hatte die Mehrheit aus CDU und FDP im März gestoppt. Seitdem hat eine Bürgerinitiative über 3.000 Unterschriften für eine Wiederaufnahme der Planungen gesammelt. Einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion bügelte die CDU/FDP-Mehrheit im Planungsausschuss letzte Woche allerdings ab. Begründung: Die Finanzierung sei unklar, eine Straßenbahn auf der Hauptstraße in Lilienthal unvorstellbar.
Heute abend muss der Gemeinderat nochmals entscheiden. Die SPD will zur Not beantragen, zumindest die Kosten-Nutzen-Analyse einer Straßenbahn nach Lilienthal fertigzustellen. Bürgerinitiativen-Sprecherin Gisela Klepsch hofft auf eine geheime Abstimmung.
In der Wendeschleife an der neuen Endhaltestelle in Borgfeld sind die Weichen Richtung Lilienthal bereits eingebaut. Angebot oder Aufforderung? Drechsler: „Wir sorgen lediglich vor.“
Armin Simon
Die ersten Bahnen von Arsten nach Borgfeld fahren ab Freitagmittag. Zur Eröffnung darf die ganze Linie 4 am Samstag auch ohne Fahrschein benutzt werden.
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