STRAFGERICHTSHOF: KANDIDATINNEN WIE NIRGENDS SONST: Richterinnen lassen hoffen
Über 52 Prozent der Weltbevölkerung sind Frauen. Auch in fast allen der 192 UNO-Staaten sind mehr als die Häfte der EinwohnerInnen weiblich. Da sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen auch beim neuen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) sowie in allen anderen internationalen Organisationen und Institutionen, die per Auftrag dem Wohl und den Bedürfnissen der gesamten Menschheit verpflichtet sind, zu mindestens 50 Prozent vertreten sind. Und zwar nicht nur als Reinigungspersonal und in den Sekretariaten.
Doch die Realität ist nicht so. Maximal 25 Prozent der internationalen Fachposten und -stellen sind von Frauen besetzt. Je höher die Führungsebene, desto geringer ist der Frauenanteil. Die Zahl der Frauen an der Spitze von Sonderorganisationen des UNO-Systems ist in den letzten zwei Jahren sogar rückläufig. Bei der Besetzung von Delegationen, Diskussionspodien oder Redelisten wird die vor einiger Zeit noch selbstverständliche Quotierung heute oftmals nicht einmal mehr angemahnt. Selbst das Gequatsche von „Frauen und anderen Minderheiten“ kommt manch einem internationalen Funktionär oder UNO-Diplomaten heute wieder ungestraft von den Lippen.
Damit spiegeln sich auf der internationalen Ebene exakt die Situation und die Rückschläge, die auch in fast allen Nationalstaaten zu beobachten sind. Warum sollte es auch anders sein? Angesichts dieser Realitäten ist die seit dem Wochenende deutlich gestiegene Aussicht auf ein Drittel bis über die Hälfte Frauen auf den Richterposten des IStGH eine große Hoffnung. Sicher: Eine harte, eindeutige 50-Prozent-Quotierung für die Besetzung der 18 Richterposten bereits im 1998 vereinbarten Statut des IStGH wäre besser gewesen als die erst nachträglich im September dieses Jahres vereinbarten komplizierten Wahlverfahrensregeln. Doch die mit diesen Regeln durchgesetzte indirekte Quotierung durch die Hintertür – eine Premiere im internationalen Politikgeschäft – hat bereits ihre politische Dynamik entfaltet. Die Nominierung von jetzt immerhin zehn Frauen hätte im September noch niemand vorauszusagen gewagt.
Das ist ein großer Erfolg der Nichtregierungsorganisationen und der wenigen Staaten, die sich beharrlich für verbindliche Regeln eingesetzt haben. Bleiben sie bis zur Wahlkonferenz im Februar wachsam und am Ball, dann ist sogar nicht ausgeschlossen, dass alle zehn nominierten Frauen auch zu Richterinnen beim IStGH gewählt werden. Das könnte dazu führen, dass auch in anderen internationalen Organisationen und Institutionen endlich verbindliche Wege für eine stärkere und schließlich gleichberechtigte Partizipation von Frauen eingeschlagen werden. ANDREAS ZUMACH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen