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Dritter Anlauf, um zu scheitern

Zum dritten Mal in zwei Monaten stellt sich der nationale Demokrat Vojislav Koštunica Serbiens Wählern. Die sind wahlmüde oder zum Boykott bereit

aus Belgrad ANDREJ IVANJI

Der Passant in Belgrad reagiert erstaunt und ungehalten auf die Frage, wen er denn wählen würde: „Was für Wahlen? Wer wird denn jetzt schon wieder gewählt?“ Nur wenige Tage vor den Präsidentenschaftswahlen am Sonntag ist in Serbien von Wahlstimmung nichts zu spüren. Es sind Wahlen ohne Wahlkampf. Die „politische Seifenoper“, so ein Kommentator, geht inzwischen in den dritten Akt.

Auf den Straßen sieht man nur hier und da ein Wahlplakat, auch in Zeitungen und elektronischen Medien werben die Präsidentschaftskandidaten bescheiden. Auf Kundgebungen verzichtet man nach dem Motto: Alles was gesagt werden sollte, ist schon längst allen bewusst. So fühlten sich die für das demokratische Bewusstsein der Serben besorgten Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bewogen, selbst etwas für das Gelingen der Wahlen zu tun. „Es geht um dich. Geh wählen“, fordert die OSZE auf Wahlplakaten die Bürger auf. Das Foto zeigt eine glückliche, lächelnde Familie.

Der Wahlmarathon ist auch dem trickreichen serbischen Wahlgesetz zu danken. Bei den ersten beiden Wahlrunden im Oktober galt die Regel: 50 Prozent der Wahlberechtigten müssen wählen, um die Wahl gültig zu machen. Dies wurde im ersten Wahlgang erreicht. Ein zweiter Wahlgang wurde nötig, weil kein Kandidat im ersten über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen kam. Im zweiten Wahlgang schlug zwar der amtierende jugoslawische Bundespräsident, Vojislav Koštunica seinen Herausforderer Miroljub Labus klar, doch lag die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent. Wahl also laut Wahlgesetz ungültig. Inzwischen ist das Wahlgesetz geändert: Nur noch im ersten Wahlgang müssen 50 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme abgeben. Wenn dies allerdings nicht geschieht, gibt es gar keinen zweiten.

Einem mächtigen Mann Serbiens käme eine geringe Stimmbeteiligung entgegen: dem Ministerpräsidenten Zoran Djindjić. Denn die Präsidentschaftswahlen stehen wie das gesamte politische Leben in Serbien im Zeichen des heftigen Machtkampfs zwischen dem konservativen, national gesinnten Kirchgänger Koštunica und dem liberalen, prowestlich orientierten Reformer Djindjić. Mit Labus hatte Djindjić seine beste Karte ausgespielt und verloren. Als klar war, dass niemand eine Chance gegen Koštunica hätte, verzichteten Djindjić und seine Demokratische Partei (DS) einfach auf einen eigenen Kandidaten. Für die Anhänger des Premiers war das ein Zeichen, die jetzigen Wahlen zu boykottieren.

Meinungsforscher sind sich einig, dass durch den indirekten Aufruf der serbischen Regierung zum Wahlboykott die Wahlen praktisch zum Scheitern verurteilt sind. Die meisten Koalitionspartner von Djindjić im Regierungsbündnis DOS kritisieren den Standpunkt des Premiers. Sie meinen, es sei wichtig, dass Serbien endlich einen Präsidenten bekommt, mit dem der Aufbau der demokratischen Institutionen fortgesetzt und die politische Krise überwunden werden kann. „An mir soll es nicht liegen. Bitte sehr, hiermit rufe ich alle Bürger auf, zu den Urnen zu gehen!“, antwortete Djindjić ironisch auf die Kritik, er würde alles tun, damit die Wahlen misslingen.

Gegen Koštunica treten diesmal zwei Leute von gestern, Vertreter des alten, totalitären Regimes auf: der ultranationalistische Vorsitzende der „Serbischen radikalen Partei“ (SRS), Vojislav Šešelj, und der Outsider Borisav Pelević, der Chef der „Partei der serbischen Einigkeit“ (SSJ), die von dem in Belgrad erschossenem serbischen Freischärlerkommandanten Zeljko Raznatović Arkan gegründet worden war.

Mit knapp 23 Prozent erzielte Šešelj bei den Oktoberwahlen ein überraschend gutes Resultat. Den geschickten Demagogen unterstützt in den Pausen des Prozesses gegen Kriegsverbrechen aus seiner Gefängniszelle in Den Haag Slobodan Milošević höchstpersönlich. Šešelj stellt sich als der Einheitskandidat „aller patriotischen Kräfte“ in Serbien dar. In seiner alten Manier schlägt er wild links und rechts um sich, beschuldigt sowohl Koštunica als auch Djindjić, mit der Mafia zusammenzuarbeiten, das Land für einen Spottpreis „denjenigen, die unserer Kinder bombardierten“, verkaufen zu wollen. Šešelj spricht die verarmten, sozial ruinierten Bürger Serbiens an, verspricht ihnen, als Präsident die „nationale Würde“ zurückzugeben und mit allen „Kriminellen und Verrätern“ abzurechnen. Der Zyniker genießt sichtlich das Rampenlicht, in dem er plötzlich wieder steht.

Der einzig ernst zu nehmende Gegner von Koštunica ist jedoch die Wahlabstinenz. Koštunica steht für einen Rechtsstaat, präsentiert sich als ein Mann, der mit der Kraft des Gesetzes und der Autorität des Präsidenten der „Willkür“ von Premier Djindjić ein Ende setzen will.

„Sollten die Präsidentschaftswahlen misslingen, dann wird es vorgezogene Parlamentswahlen geben“, droht Koštunica. Die DSS würde im Parlament die Misstrauensfrage gegen die Regierung Djindjić stellen. Die Regierung kann Koštunica jedoch nur gemeinsam mit Šešeljs Radikalen und den Milošević-Sozialisten stürzen. „Wenn es sein muss, warum nicht?“, meinte Koštunicas Vizepräsident Dragan Marsicanin.

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