piwik no script img

Kehraus in der BSR-Spitze

Finanzvorstand erhält nach der Millionenpanne bei den Gebühren die fristlose Kündigung. Er soll von falschen Kalkulationen gewusst und sie fortgesetzt haben

Die landeseigenen Stadtreinigungsbetriebe (BSR) haben als Konsequenz der Millionenpanne bei den Straßenreinigungsgebühren ihren Finanzvorstand Arnold Guski entlassen. Es handelt sich offenbar nicht um ein in derartigen Fällen übliches Bauernopfer. Laut BSR-Aufsichtsratschef und Wirtschaftssenator Harald Wolf hat Guski vorsätzlich gehandelt, falsche Kalkulationen nicht korrigiert, sondern fortgesetzt und weder den Aufsichtsrat noch seine Vorstandskollegen informiert. Die Staatsanwaltschaft ist laut Wolf informiert und soll prüfen, ob die Sache strafrechtlich relevant ist. Anzeige hat die BSR nicht erstattet.

Das Unternehmen hatte Anfang November eingeräumt, dass es seit 1999 rund 60 Millionen Euro zu viel an Straßenreinigungsgebühren eingezogen hat. Im Auftrag des Aufsichtsrats untersuchte darauf ein Wirtschaftsprüfer den Vorgang. Guskis Entlassung soll auf dessen bisherigen Erkenntnissen beruhen, die gestern zur Aufsichtsratssitzung vorlagen. Wolf betonte, dass es sich um einen Zwischenbericht handelt: „Die Sache ist noch nicht abgeschlossen. Das wird uns sicher noch im nächsten Jahr beschäftigen.“ Die Grünen-Fraktion forderte gestern, auch die Müllgebühren zu prüfen.

Laut Wolf wies ein heute noch bei den BSR beschäftigter Mitarbeiter Guski 1999 auf einen Methodenfehler in der Tarifkalkulation 1999/2000 hin, der zum höheren Gebühreneinzug führte. Guski, heute 59 und seit Ende 1995 Finanzvorstand, soll diesen Fehler nicht nur nicht korrigiert, sondern dafür gesorgt haben, dass er auch in die Kalkulation für 2001/2002 eingebaut wurde. Wolf sprach von Anzeichen, dass Guski darauf hinwirkte, „dass ein Deckel des Schweigens über das Thema gedeckt wurde“. Laut Wolf hat Guski die Vorwürfe in einem Vieraugengespräch am Montag nicht widerlegt, sondern zur Kenntnis genommen.

BSR-Vorstandschef Peter von Dierkes will von den Vorgängen nichts gewusst haben. „Wir sind geplättet“, sagte er, „die tiefe Erschütterung möge man mir abnehmen.“ Zu seiner eigenen Zukunft äußerte sich von Dierkes unklar: Er sei sauber und werde sauber aus seinem Amt ausscheiden, „wenn meine Zeit gekommen ist“. Nach einem Medienbericht steht Personalvorstand Christoph Landerer als Nachfolger bereit.

Die zu viel eingezogenen Gebühren – mit Zinsen von 64 bis 65 Millionen Euro – will die BSR zurückerstatten, indem sie im 1. Quartal 2003 die Straßen umsonst reinigt und im 2. Quartal nur rund ein Siebtel der anstehenden Gebühren einzieht. Die Verrechnung für die Mieter als Gros der Gebührenzahler soll bei den Hauseigentümern liegen. Das sei mit erheblichem Aufwand verbunden, räumte Landerer ein. Wohnungsgesellschaften hätten bereits gefordert, Mehrkosten erstattet zu bekommen.

Parallel zur fristlosen Kündigung von Guski kündigte die BSR einen Neuzugang an: Die parteilose frühere Sachsen-Anhalter Umweltstaatssekretärin Vera Gäde-Butzlaff übernimmt den seit einem Jahr unbesetzten vierten Vorstandsposten, zuständig für den Bereich Abfall.

STEFAN ALBERTI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen